Bericht Prof. Varwick / Naumann-Stiftung VA zur "Identitären Bewegung" (18.10.2017)

Bericht der Veranstaltung von Prof. Varwick und der Naumann-Stiftung zur "Identitären Bewegung" (18.10.2017)
Ohne das Fazit vorwegnehmen zu wollen: Wir haben Schlimmeres erwartet, als das, was sich letzten Mittwoch bei der Veranstaltung des Professors für Internationale Beziehungen in Kooperation mit der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nah) darstellte. Auch wenn es durchaus einige Äußerungen gab, die zum Gruseln einluden, boten die vorherigen Statements der Veranstalter*Innen doch ausreichend Anlass, eine größere Verharmlosung der identitären Nazis, einen Dialogaufruf mit diesen oder einen verstärkten Kampf gegen "Linksextremismus" zu befürchten. Denn bereits im Vorhinein zeigte Professor Varwick sich von der zutreffenden Kritik an seiner Referenten-Auswahl unbeeindruckt und umschiffte jede inhaltliche Diskussion souverän. Und statt auf die fundierten Bedenken der antifaschistischen Kampagne "Kick them out" einzugehen, wies er nur darauf hin, dass er es ja auch nicht einfach hätte und die Linksextremist*Innen vom SDS ziemlich schlimm seien.
Ohne das Fazit vorwegnehmen zu wollen: Wir haben Schlimmeres erwartet, als das, was sich letzten Mittwoch bei der Veranstaltung des Professors für Internationale Beziehungen in Kooperation mit der Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP-nah) darstellte. Auch wenn es durchaus einige Äußerungen gab, die zum Gruseln einluden, boten die vorherigen Statements der Veranstalter*Innen doch ausreichend Anlass, eine größere Verharmlosung der identitären Nazis, einen Dialogaufruf mit diesen oder einen verstärkten Kampf gegen "Linksextremismus" zu befürchten. Denn bereits im Vorhinein zeigte Professor Varwick sich von der zutreffenden Kritik an seiner Referenten-Auswahl unbeeindruckt und umschiffte jede inhaltliche Diskussion souverän. Und statt auf die fundierten Bedenken der antifaschistischen Kampagne "Kick them out" einzugehen, wies er nur darauf hin, dass er es ja auch nicht einfach hätte und die Linksextremist*Innen vom SDS ziemlich schlimm seien. Da darauf kaum einzugehen ist, steigen wir hier mit der Kritik der Veranstaltung ein, in dem wir die einzelnen Sprecher*Innen abhandeln: Zuerst eröffnete Katja Raab als Gastgeberin der Naumann-Stiftung und erzählte glücklicherweise nichts Inhaltliches, da von ihr vor allem ihre Diffamierung des zivilgesellschaftlichen Bündnisses "Halle gegen Rechts" bekannt war. Danach leitete Johannes Varwick die "Diskussionsrunde" ein, stellte sich als Moderator vor, beschwor sein Hausrecht und wies darauf hin, dass er nur Äußerungen zulassen würde, die im Geiste der "Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung" (FDGO) seien. Auch schien es ihm durchgehend wichtig zu betonen, dass er ja "jeden anderen Extremismus" ebenfalls ablehne. Wie so oft blieb es dann auch bei den Schlagwörter und er den Zuhörer*Innen leider die Erklärung schuldig, warum eine "extremistische" Position, die zB die Forderung nach der Abschaffung des Privateigentums oder nach einer Gesellschaft ohne Repressionsorgane und Grenzen beinhalten könnte, genauso schlimm wie die Menschenverachtung der Identitären sei. Darüber hinaus nimmt er bis heute nicht zur Kenntnis, dass die beste antifaschistische Arbeit eben aus Kreisen kommt, die Konservative mit "Anti-Extremismusklauseln" am liebsten ausgrenzen wollen. Trotz dieser erwartbaren Defizite stellte er zurecht fest, dass Halle ein "Rechtsextremismus-Problem“ habe und die Identitären Teil der Uni und damit auch Problem der Uni und ihrer Mitglieder seien – ein Fakt, den sich einige Professor*Innen merken sollten. Als erster Referent und drittes FDP-Mitglied war dann Christoph Giesa an der Reihe. Für Äußerungen zur IB soll er sich durch sein Buch "Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte" qualifiziert haben, welches er mit der konservativen Publizstin Liane Bednarz zusammen verfasste, die sich vehement für einen Dialog mit Faschist*Innen einsetzt. Erst einmal freute sich Giesa aber aus "staatsbürgerlichen Gründen" darüber, dass diese Veranstaltung stattfand und fing an identitäre Mythen zu reproduzieren. So sprach er ihnen zu, dass sie tatsächlich "intellektuell" seien und führte aus, dass "Hitlers Mein Kampf viel platter ist als Identitäre Bewegung und Institut für Staatspolitik [Anmerkung: IfS, rechtes Zentrum in Schnellroda]". Ihm war es im Verlaufe des Abends auch immer wieder wichtig zu behaupten, dass "das keine Nazis sind". Darüber hinaus lies er die Menge an seinen Überlegungen zur Strategie gegen die "Neuen Rechten" teilhaben. Aus seiner Sicht würden Gegendemos und direkte Aktionen nichts bringen, da sie die Rechten in ihrer "Opferrolle bestärken" und ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken würden. Er empfahl als Strategie stattdessen den öffentlichen Raum positiv zu besetzen und dort Werbung gegen den "Rechtsextremismus" zu machen. Und auch wenn er die Gewalt der identitären Kader bestritt, was angesichts häufiger Übergriffe (Messerangriff in Lübeck, Sellner mit der Gaspistole, Mensa-Übergriff in Halle etc.) natürlich fahrlässiger Unsinn ist, kam er der identitären Ideologie an manchen Stellen fast nah: So machte er klar, dass weder Euro- noch "Flüchtlingskrise" ursächlich für den Rechtsruck seien und beschrieb die Identitären als anti-modernistische Gruppe, die einen angeblich ursprünglichen, aber nie dagewesenen Zustand anstreben würden, um die Widersprüche der Gesellschaft zu lösen - womit allerdings auch der inhaltlich stärkste Punkt der Veranstaltung erreicht war. In Gänze muss Giesa allerdings mehr Unsinn unterstellt werden, als die zwei vernünftigen Punkte (Räume besetzen und Anti-Modernismus unabhängig von realpolitischen Entwicklungen) vermuten ließen: Er bekannte sich sofort dazu, von der Situation in Halle keinerlei Ahnung zu haben, stritt physische Gewalt als Merkmal der IB ab, erkannte nicht, dass die gefürchtete Opferrolle immer Teil der rechten Ideologie ist und entschied sich dazu, den Mythos der „intellektuellen Rechten“ zu reproduzieren, auch wenn er die IB/IfS-Bücher zurecht als ziemlich langweilig beschrieb. Tatsächlich sind die Ibler*Innen aber nicht nur personell nicht von Nazis zu unterscheiden, sondern tragen einen brüchigen intellektuellen Anstrich nur vor sich her, damit ihre ideologische Identität mit den ganz normalen „Glatzen-Nazis“ sich nicht jedem bürgerlichen Betrachter aufdrängt (und weil sie elitäre Spinner sind). Dass es aber noch deutlich schlimmer geht, bewies nach ihm der Chemnitzer Junior-Professor Tom Mannewitz, der von Hause aus „Linksextremismus-Experte“ sein möchte, aber qua Extremismus-Theorie glaubt, ebenso zum Kritiker der Rechten berufen zu sein. Auch er hat von der lokalen Situation (zB vom IB-Haus gegenüber) keine Ahnung und zitierte deshalb erst einmal aus dem Verfassungsschutzbericht – ein Motiv, welches sich mit großer Behäbigkeit durch die Veranstaltung zog. Danach ging der große Wissenschaftler der IB auf den Grund und kam zur These, dass die Identitären quasi maskiert seien, denn ihre öffentlichen Forderungen („Festung Europa“, „Islamisierung stoppen“, „Ethno-Kulturelle Identität“) seien an sich „nicht problematisch“ und sie seien definitiv „keine Nazis“. Warum die wahnhafte Angst vor dem vermeintlich Fremden und eine noch tödlichere europäische Grenze unproblematisch seien, behielt er für sich, kam aber aus der von ihm monopolisierten „Sicht der Demokratie“ zum „Ethno-Pluralismus“, den er als „extremistisch“ markierte und zurecht feststellte, dass Menschen mit diesem auf ihre Herkunft reduziert, zwangskollektiviert und entwürdigt werden. Danach wurden einige falsche und einige richtige Fakten aufgereiht bis die liberale Widersprüchlichkeit wieder Besitz ergriff: So stellte Mannewitz zwar fest, dass man die IB-Kader wohl kaum von ihrem menschenfeindlichen Weg abbringen wird, wollte sie aber gleichzeitig nicht zu sehr ausgrenzen, um „ihre rechten Karrieren nicht zu verfestigen“. Hier lässt sich feststellen: Entweder man hat die Hoffnung, die Ibler*Innen sozialpädagogisch aus der rechten Ecke rausquatschen zu können oder man hat sie nicht – hat man sie völlig zurecht nicht bzw. investiert man seine Ressourcen lieber in antifaschistische Arbeit, dann kann keine Ausgrenzung sinnvoll und hart genug sein. Hier ist sich Mannewitz aber leider mit seinen bürgerlichen Standesgenoss*Innen einig, die zwar teilweise wissen, dass die Ibler*Innen nicht „nur“ mit den Geflüchteten, sondern auch mit den Liberalen aufräumen wollen, aber ob des intellektuellen Anstrichs glauben, sie nicht ganz aufgeben zu dürfen. Dazu passt, dass er sich mit Giesas „Argumenten“ ebenso gegen Gegenaktionen/Demos aussprach (Opferrolle bestärken, voll unkonstruktiv, sind ja keine Nazis etc). Guten Nährboden für Kritik an der Varwick-Veranstaltung bot dann der dritte und letzte Referent. Dr. Hilmar Steffen vom Verfassungsschutz des Landes Sachsen-Anhalt stellte sich mit „Ich bin der Staat“ und zurecht als Teil der Repression vor und erklärte den Untertanen erst einmal, was man von ihnen erwartet. So sei „Protest gegen Einwanderung“, gerne auch radikal, völlig in Ordnung, aber die IB hätte sich auf den „Pfad des Extremismus“ begeben. Dies sei auch im Bericht seiner Behörde nachzulesen, den er zur Sicherheit trotzdem ausgiebig zitierte. Trotzdem betonte er wenig originell, dass die IB nicht mit Nazi-Strukturen identitisch sei, was im Angesicht der "Kontrakultur Halle" oder der IB Harz, die beide im Wesentlichen von Nazis gegründet wurden, sachlich einfach falsch ist. Ihm ging es im Weiteren darum, die vermeintliche Gefährlichkeit der IB für den Staat deutlich zu machen, da sie quasi eine Revolution plane, wozu er ausführlich aus Texten identitärer Obernazis vorlas. Auch wenn er die IB zurecht mit dem neo-nazistischen „Nationalen Bildungskreis“ in Magdeburg verglich, mit dem er sich 2010 beschäftigen musste, blieb es vor allem bei leerem Formalismus: Die IB ist böse, weil sie gegen den bestehenden Staat ist. Dass die „Revolution“ der IB vor allem eine autoritäre Revolte ist, die zumindest einigen zentralen Elementen des bestehenden Gesellschaftssystems nicht entgegen steht (Patriarchat, Kapital und Staat), ist dann mal wieder egal. In der abschließenden Diskussion wurde aus dem Publikum sinnvollerweise angemerkt, dass die IB sehr wohl ein grundsätzlich gewaltbereiter und neonazistischer Verein sei und gefragt, wie die Referenten bestehende Verbindungen zwischen CDU, FDP, Verbindungen/Burschenschaften und IB bewerten würden – auf keine Frage gab es eine vernünftige Antwort. Abschließend lässt sich feststellen, dass die Referent*Innen oftmals widersprüchlich argumentiert haben. Ihren treffenden Punkte bezüglich Gewalt und Ideologie der IB, sowie ihrer Ablehnung des Dialogs mit „Rechtsextremist*Innen“, wurden die ständigen Behauptungen gegenübergestellt, dass Gegenaktionen schlecht seien, man sie noch irgendwie erreichen solle und dass sie keine Nazis, sondern Intellektuelle seien, die ihren Rassismus entweder ersetzt oder maskiert hätten. Hier zeigte sich, dass sich Konservative/Liberale dieser Art, mit Antifaschismus immer wieder schwer tun, auch wenn sie wie Professor Varwick wohl ein ernsthaftes, ehrliches Problem mit der „Identitären Bewegung“ und anderer Nazis haben. Diese Veranstaltung hat das erst einmal bekräftig, auch wenn sie in weiten Teilen unsinnig war. Leider waren die ideologischen Vorbehalte gegenüber vernünftigen antifaschistischen Initiativen (oder generell gegenüber Menschen, die nicht entweder beim Staat angestellt oder in der FDP sind) scheinbar allzu groß, als dass die Veranstalter*Innen tatsächliche Expert*Innen, zB solche mit tatsächlicher Ahnung vom Nazizentrum in Halle, hätten hinzuziehen wollen. Als freundliche Extremismus-Expert*Innen aus der universitären Nachbarschaft machen wir auch gerne Vorschläge...

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