Position des SDS Halle zur Novellierung des Landeshochschulgesetzes

Seit einigen Jahren wird in Sachsen-Anhalt immer wieder über eine Novellierung des Landeshochschulgesetzes diskutiert, wobei jetzt endlich ein fertiger Entwurf darauf wartet, dem Parlament vorgelegt zu werden. Dieser Entwurf beinhaltet einige Verbesserungen, allerdings bleibt vieles auch schlecht.

So sollen – laut Entwurf - die Langzeitstudiengebühren voraussichtlich ab Wintersemester 2020/21 wegfallen. Besonders wichtig daran ist, dass es den Hochschulen darüber hinaus verboten werden soll, eigenmächtig Langzeitstudiengebühren zu erheben, was zu befürchten gewesen wäre. Leider soll das Ganze nicht für die Zweitstudiengebühren und die Gebühren für die Studienkollegs an der MLU Halle-Wittenberg und der HS Anhalt gelten, die für viele ausländische Studienbewerber*innen verpflichtend sind. Hier werden freiwillige Weiterqualifizierung und Internationalität faktisch bestraft. Bildungsgebühren sind unsozial, ausgrenzend und sogar im Sinne der Erfinder*innen kontraproduktiv, da sie Menschen aktiv vom Studium abhalten. Trotzdem sollen eben Teile der Gebühren unverändert bleiben, was wir aufs Schärfste kritisieren.

Darüber hinaus wird die „Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung“ verboten. Die Bescheinigung ist ein Dokument, welches über ein einfaches ärztliches Attest hinausgeht und den Arzt*die Ärztin von der Schweigepflicht entbindet, damit medizinisch ungeschulte Verwaltungsbeamt*innen und Professor*innen über die Legitimität der studentischen Krankheit entscheiden können. Dies greift nicht nur stark in die Privatsphäre der Patient*innen ein, sondern unterstellt allen Studierenden grundsätzliche Betrugsabsichten. Wir begrüßen deshalb sehr, dass der Referent*innen-Entwurf das Verbot dieser Bescheinigungen vorsieht, fordern das Land aber ebenso dazu auf, hier mehr zu tun. Denn auch bei staatlichen (Examens-)Prüfungen (bspw. in Jura) sollte ein einfaches Attest ausreichen!

Ähnliches stellen wir bei der sogenannten „Anwesenheitspflicht“ bzw. der verpflichtenden Teilnahme an Lehrveranstaltungen fest. Hier sieht der Entwurf ebenfalls vor, diese weiter einzuschränken und nur noch in Ausnahmefällen und bei Exkursionen und Praktika zuzulassen. Auch wenn wir das begrüßen, fordern wir trotzdem weitergehende Schritte. Die Pflicht schränkt die Freiheit der Studierenden stark ein, bringt keinen weiteren Lernerfolg und diskriminiert aktiv Studierende, die aus verschiedenen Gründen gar nicht anwesend sein können. Deshalb fordern wir ein klares Verbot dieser Pflicht. Das würde auch die Umsetzungsperspektive verbessern, denn schon jetzt stürzen sich einige Professor*innen auf jede vermeintliche Regelungslücke oder verlangen gleich illegale Teilnahmepflichten, um ihr autoritäres Programm durchzuziehen.
Die Viertelparität in den Hochschulen (Senat und Fachbereichs- oder Fakultätsraten) ist allerdings einem Kuhhandel innerhalb der Kenia-Koalition zum Opfer gefallen. Der Vorschlag, der auf Betreiben von SPD und Grünen noch im ersten Entwurf präsent war, ist nach einer Intervention des Koalitionspartners CDU jetzt gestrichen. Da die Konservativen die Demokratisierung der Hochschulen derart vehement und ideologisch ablehnen, hat die CDU dafür sogar das Ende der Langzeitstudiengebühren akzeptiert, welches SPD und Grüne jetzt intensiv als ihren Durchbruch bewerben.

Die Argumente der CDU, die sich ähnlich wie der RCDS in Halle nur äußerst ungern ernsthaft mit Hochschulpolitik beschäftigt, laufen dann wahrscheinlich wie immer auf die „Freiheit von Forschung und Lehre“ hinaus. Doch wieso sollte die Freiheit des*der Einzelnen von den Mehrheitsverhältnissen in den Gremien abhängen? Vielmehr sollte die sicherlich zu verteidigende Freiheit doch gegen mögliche Entscheidungen verteidigt werden, die ein Gremium fällt – ganz gleich wie es besetzt wird. Tatsächlich ist es so, dass die Professor*innen-Mehrheit viel eher dazu neigt, die Freiheit einzelner Hochschullehrer*innen zu beschneiden. Der einzige Punkt, der ein wenig in Richtung Demokratisierung geht, ist die grobe ethische Verpflichtung von Forschung und Lehre, die ins Gesetz aufgenommen wurde. Hier müssten die Hochschulen Transparenzpflichten erfüllen und alle Statusgruppen beteiligen, damit der Paragraf nicht vollständig Makulatur bleibt.

Darüber hinaus bleibt die Diskussion über die dringend nötige Demokratisierung aber zumeist auf das Thema der Zusammensetzung von Senaten und Fakultäts- bzw. Fachbereichsräten beschränkt. Wir wollen allerdings mehr und fordern deshalb darüber hinaus ein studentisches Mitglied im Rektorat, welches von den Studierenden gewählt wird. Darüber hinaus fordern wir, dass sich sowohl Studierendenschaften als auch Universitäten in allgemeinpolitische Diskussionen einbringen dürfen, die von gesellschaftlicher Relevanz sind. Die Unterscheidung zwischen hochschulpolitischen und allgemeinpolitischen Themen ist unsinnig und spielt im realen Leben keine Rolle: Denn Wissenschaftler*innen und Studierenden sind auch Bürger*innen und damit von der allgemeinen Politik betroffen – genauso wie Forschung und Lehre ja auf das Leben außerhalb der Universität abzielen und dieses verbessern sollen. 

Eine weitere wichtige Forderung zu diesem Themenkomplex ist die Einführung von hochschuldemokratischen Prozessen an der Polizeifachhochschule in Aschersleben. Hier sorgt ein eigenes „Polizeifachhochschulgesetz“ dafür, dass die angehenden Polizist*innen keine richtige und halbwegs unabhängige Studierendenvertretung haben. Wir sagen dagegen: Gleiche Rechte für alle Studierenden. Deshalb sind wir für die sofortige Einführung einer verfassten Studierendenschaft am Standort Aschersleben und hoffen damit, dass die angehenden Polizist*innen eine weniger autoritäre Perspektive auf demokratische Beteiligung erleben können. 

Da die Hochschulen insbesondere in Sachsen-Anhalt noch sexistische Strukturen aufweisen und die Anzahl der Professorinnen immer noch verschwindet gering ist, setzen wir uns hier für eine gesetzliche Lösung ein. Leider legt der bestehende Entwurf dazu nichts vor außer einem Stimmrecht für die Gleichstellungsbeauftragten der Fakultäten und Fachbereiche. Das ist aber deutlich zu wenig. Als feministischer Verband fordern wir deshalb die Einführung verpflichtender Quoten für Professor*innen (bspw. nach dem „Kaskadenmodell“). Die Hochschulen müssen Bewerberinnen endlich eine Chance geben und aufhören die bereits bestehenden Mechanismen zur Frauenförderung dauernd zu unterwandern.

Gleichheit sollte nicht nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch zwischen den Hochschularten herrschen. Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften („Fachhochschulen“) haben sich in ihren Aufgabenbereichen immer weiter angenähert und in den entscheidenden Punkten Forschung und Lehre besteht nahezu Egalität. Das sollte auch rechtlich berücksichtigt werden. Deshalb fordern wir, dass alle Fachhochschulen endlich das Promotionsrecht bekommen und auch in allen anderen Punkten mit den klassischen Universitäten, die teilweise nur aufgrund ihres elitären Anspruches ihre Vorrechte behalten wollen, gleichgestellt werden.

Insgesamt wäre es extrem wichtig, dass die Reform des Landeshochschulgesetzes in Sachsen-Anhalt ein Zeichen für eine emanzipatorische Hochschulpolitik setzt, denn die Bevorzugung autoritärer Lösungen in der Politik macht auch vor den Toren der Wissenschaftsministerien nicht halt: In etlichen Bundesländer kommt die „Campus-Maut“, die von ausländischen Studierenden die dreifachen Studiengebühren verlangt. In Nordrhein-Westfalen kommt ein Hochschulgesetz, welches darauf ausgelegt ist, den Studienverlauf der einzelnen Studierenden zu kontrollieren und jede gesellschaftliche Verantwortung der Hochschulen zu negieren. Und sollte die AfD jemals an die Regierung kommen, hat sie ihre Ziele für die Hochschulen ja schon angekündigt: Abschaffung der Studierendenschaft, Ersetzung kritischer Fächer durch nationalistisches Pathos und das Ende des halbwegs freien Studiums.

Wir setzen eine emanzipatorische und sozialistische Perspektive dagegen - im Zuge der Novellierung des Hochschulgesetzes, aber auch darüber hinaus. Die soziale Lage der Studierenden und der Mitarbeiter*innen muss sich deutlich verbessern, die elitäre Herrschaft der Professor*innen muss beendet werden, die „Neue Rechte“ muss aus den Seminaren und von ihren Lehrstühlen vertreiben werden, die sexistischen Uni-Strukturen müssen endlich zerschlagen werden und es soll ein Studium in Freiheit geben – ohne autoritäre Zurichtung und materiellen Zwänge!

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