Prüfungen und Noten sind falsch

Am 29.01.2024 haben wir unseren Glühwein-Stand auf dem Hauptcampus gemacht. Zum kostenlosten Glühwein oder alkoholfreien Punsch gab es diesen Flyer - passend zur Prüfungsphase:

Prüfungen und Noten sind falsch

Auch wenn es angesichts der Konsequenzen, die eine “schlechte” Note hat, wenig bringt, möchten wir es trotzdem sagen: Prüfungen und Noten sind falsch. Gerade jetzt in der Prüfungsphase spüren viele schon im Alltag, warum das so ist. Willkürlich auf zwei Wochen im Januar und Februar festgelegt, haben viele Studierende plötzlich Stress: Während man von Oktober bis Mitte Januar auch Student*in sein darf, im Labor steht, in der Bibliothek sitzt oder im Seminar studiert, ohne unter vergleichbaren Druck gesetzt zu werden, ist damit plötzlich Schluss, die Credit Points wollen es so. 

Das hat sich mit Bologna verschärft. Während man früher v.a. Prüfungen ablegen musste, um sich seinem Abschluss zu nähern, geht es heute schon ums Dabei-bleiben. Klausur, Referat, Essay für 5 CP? Fünf bis zehn Klausuren im Semester? Dazu mündliche Prüfungen und Hausarbeiten mitten in den “Semesterferien”, die gar nicht mehr so genannt werden dürfen? Das haben wir der Vorstellung zu verdanken, die Konkurrenz müsste durch Vergleichbarkeit erhöht werden - Aussieben inklusive. 

Ein extremes Beispiel für diese Logik stellen die Wirtschaftswissenschaften dar, die mit einer sog. “Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung” sicherstellen wollen, dass Studierende krank genug sind, um zu einer Prüfung nicht anzutreten. Auch hier gilt das Argument der Vergleichbarkeit: Wer etwa “nur” eine Hand gebrochen hat, muss halt mit der anderen Ankreuz-Tests ausfüllen – sonst benachteilige das alle, die genauso “prüfungsfähig” sind (d.h. eine Hand zum Schreiben haben). 

Aber auch vor Bologna war nicht alles besser, denn Prüfungen und Noten an sich sind schon systemisch falsch. Denn wo Bologna über das ECTS-Modell mehr Vergleichbarkeit (mit allen Studis weltweit) schaffen soll, gibt es bereits die entsprechende Basis: Noten selbst sind nur ein Instrument, um festzuhalten, wie gut man im Vergleich zu anderen ist. Deshalb gibt es auch weder Schulklassen noch Vorlesungen, in denen alle eine 1,0 haben, obwohl genau das doch theoretisch das didaktische Ziel sein müsste (“alle haben es verstanden”). Tatsächlich machen sich Lehrer*innen oder Dozent*innen verdächtig, wenn sie “zu gute” Noten geben, beim Abitur rühmen sich Bayern und Sachsen mit einem besonders hohen Schwierigkeitsgrad, Sachsen-Anhalt rühmt sich besonders “schlechter” Abschlussnoten, Bremen gilt als Land der Bildungsverlierer*innen, da das Abi “nichts wert” sei. 

An der MLU kennen wir das aus verschiedenen Fachbereichen: Als einmal zu viele PoWi-Studierende durch die Statistik-Klausur gefallen sind, wurde der Notenschnitt angehoben. Beim Jura-Studium weiß man, dass die höchsten Punktzahlen nur in Ausnahmefällen vergeben werden, ein Jahrgang voller krasser Jura-Freaks hätte also ein Problem, weil man nur als Einzelperson eine Ausnahme ist. Und auch wenn viele Menschen Noten für objektiv und wichtig halten (da machen wir uns keine Illusionen), gibt es doch klare Anzeichen dafür, dass das im Alltagsverstand anders aussieht: Denn wer sollte sonst von versteckten Büchern oder rausgerissenen Seiten im Juridicum profitieren, wenn nicht eine Person, die weiß, dass die eigene Leistung nicht gut oder schlecht, sondern nur besser oder schlechter sein kann?

 Noten und Prüfungen sind also falsch, weil sie niemals objektiv sein können - sie hängen vom Zufall ab. Nicht nur vom Zufall unserer Geburt und sozialen Verortung, von der Frage, ob wir etwa Prüfungsangst, Stress, andere Belastungen haben, sondern ebenso vom Zufall der Konkurrenz. Sie sind aber auch falsch, weil sie einen Aspekt der kapitalistischen Konkurrenz widerspiegeln, die uns zum Kampf aller gegen alle aufstachelt. 

Wir sollten uns über tolle Arbeiten unserer Kommiliton*innen freuen können, denn mehr Wissen hat noch niemandem geschadet. Aber das System sieht das nicht vor. Das ist traurig, aber es zeigt auch die Notwendigkeit des Widerstands. Das gesamte Bildungssystem ist falsch angelegt, aber dank Spardiktat auch noch kaputt. Die Institutionen können nur von unten übernommen werden - in dem Fall von den Studierenden! 

Also: Für eine demokratische Universität, für Bildung ohne Noten und Prüfungen und für ein Ende der Prüfungsphase!



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