Anmerkungen zur Hochschulwahl 2025
Die Liberale Hochschulgruppe (LHG) hat gehört, dass wir Sozialist*innen sind und warnt jetzt davor, dass der „Sozialistische Deutsche Studentenbund“ zur Wahl der Offenen Linken Liste aufruft.
Dabei liegt der wahre Skandal doch darin, dass wir das sowieso immer tun. Hier wurden einige Möglichkeiten für eine gute Verschwörungstheorie verpasst – Elon Musk, das Vorbild der Letzten, die in Deutschland noch die tragische Geschichte des Rechtsliberalismus vertreten wollen, hätte das sicher besser gemacht.
Dazu kommt, dass SDS für Sozialistisch-demokratischer Studierendenverband steht und nicht für das, was der LHG uns dort andichtet. Das ist nicht so, weil wir der Meinung sind, dass man immer sozialistisch-demokratisch statt sozialistisch sagen müsste (denn unser Sozialismus ist eben demokratisch), sondern weil der SDS, den die LHG hier meint, sich 1970 aufgelöst hat.
Bei seiner Gründung 1946 war der „alte“ SDS übrigens der Hochschulverband der SPD. Dort hat er allerdings angefangen, eigene Meinungen zu vertreten, was der SPD bald zu bunt wurde. So gab es bei den Kommiltion*innen irgendwann die Haltung, gegen die Wiederbewaffnung der BRD, für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und gegen einen allzu militanten Antikommunismus zu sein. Das konnten die Sozi-Chefs natürlich nicht auf sich sitzen lassen und schmissen den SDS im Jahr 1961 kurzerhand raus.
Praktischerweise hatte sich bereits 1960 eine linientreue Abspaltung mit dem „Sozialdemokratischen Hochschulbund“ (SHB) gegründet, der das „Godesberger Programm“, also die Abkehr von der Klassenpolitik, die letztlich zum dauerhaften und wohl unumkehrbaren Rechtskurs der SPD führte, bejahte und alles machte, was die SPD wollte – bis auch dort neue Kommiliton*innen Mitglied wurden und den Marxismus für sich entdeckten. Also kam es, wie es kommen musste und der SPD-Vorstand entfernte den SHB 1972 aus der Partei und verbot ihm sogar gerichtlich das Wort „sozialdemokratisch“. Der SHB hieß daraufhin „Sozialistischer Hochschulbund“, während in der SPD wieder eine Gruppe junger, angepasster Studierender in der Pipeline war, um einen neuen Verband zu gründen: Die Juso-Hochschulgruppen. Diese wurden zur Sicherheit auch gleich nur als Projektgruppe beim Bundesvorstand der Jusos, der selbst nur eine Arbeitsgruppe in der SPD ist, gegründet, um gar nicht erst den Wunsch nach Unabhängigkeit entstehen zu lassen.
Das hat bis heute gut geklappt, denn echten Widerstand gegen Hartz4, rassistische Asylpolitik und Hochschulkürzungen gab es seitdem nicht mehr. Um nicht falsch verstanden zu werden: Individuell gibt es natürlich starke Aktionen von Jusos gegen die rechte Politik der SPD, aber es gibt keinen organisatorisch wirksamen Widerstand – am Ende werden vom Verband eben doch wieder Plakate von Olaf Scholz aufgehängt. Und das hat die SPD in den 1960er- und 70er-Jahren mit Parteiausschlüssen und opportunistischen Neugründungen durchgesetzt.
Auch im Liberalismus gibt es eine ganz ähnliche Geschichte, denn die LHG ist nicht die erste FDP-Hochschulgruppe, sondern wurde wie die „Jungen Liberalen“ (JuLis) eingesetzt, weil Studi- und Jugendgruppe (Liberaler Hochschulverband und Jungdemokraten) keinen Bock hatten, mit der FDP zusammen 1982 in eine erz-reaktionäre Regierung unter Helmut Kohl einzutreten. Diejenigen, denen die Karriere wichtiger war als die Bürgerrechte, standen wie immer bereit, um einen neuen Verband zu gründen. Und so entstand u.a. die Liberale Hochschulgruppe, die sich für die FDP-Karriere für die „geistig-moralische Wende“, also für Patriarchat, Nationalismus und Neoliberalismus in die Bresche warf.
Wenn man sich also jetzt fragt, warum Hochschulpolitik so scheiße geworden ist, dann liegt der Organisationsgeschichte der LHG und der Juso-HSG ein Schlüssel darin: Weil die Gesellschaft durch den Neoliberalismus in den 1970er- und 1980er-Jahren nach rechts gerückt ist und der progressive Aufbruch an den Hochschulen aktiv zerstört wurde. Wenn die LHG also heute gerne wieder den StuRa aufräumen will, weil da zu viele basisorientierte linke Sachen passieren, dann folgt sie damit den Angriffen auf die Selbstverwaltung, aus denen sie selbst entstanden ist und wenn sie uns mit dem alten Namen bezeichnen, dann scheint darin noch ein kurzer Moment in der alten BRD hervor, in der das studentische Engagement noch nicht möglichst weitgehend plattgemacht wurde und sogar die Demokratisierung der Hochschulen auf dem Plan stand.
In diesem Sinne lassen wir uns also gerne als dieser oder jener SDS bezeichnen, müssen aber darauf hinweisen, dass wir leider keine hunderte Mitglieder haben – das Versprechen einer sozialistisch-demokratisch durchorganisierten Hochschule also noch nicht wirklich erfüllen können, sondern hier erst einmal nur zur Wahl der OLLi aufrufen.
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