Presseerklärung

Zur aktuellen Debatte um die Verbindungen von Mitgliedern der JU und RCDS zur neonazistischen Szene erklärt der Studierendenverband SDS.DieLinke – Links-alternative Hochschulgruppe MLU:

Den Wettbewerb unterschiedlicher politischer Ansichten und Konzepte an den Hochschulen interessant, qualitätsvoll und demokratisch zu gestalten ist Teil der Arbeit der Studierendenverbände und Hochschulgruppen.

Eine demokratische Debatte setzt jedoch demokratische Akteure voraus. Burschenschaften bewegen sich vielfach in einer Grauzone zwischen Konservativismus und rechtsextremer Szene, die wir prinzipiell kritisieren und ablehnen. Im Fall der Halle-Leobener Burschenschaft Germania ist von einer solchen Grauzone aber schon nicht mehr zu reden. Der durch die Veröffentlichungen des AK Kritischer Studierende in die Kritik geratene Roland Hildebrandt, CDU-Stadtrat und Mitglied der Jungen Union, beschreibt in einem Interview bei Radio Corax vom 18.05.10:

„Ich habe immer deutlich gemacht, auch in Gesprächen mit meinem Freund, dass ich die Auffassungen der Germania-Burschenschaft in keinster Weise teile und dass dies nicht den verfassungsgemäßen Werte(n) unseres Landes entspricht.“[1]

Ihre Charakterisierung als der rechtsextremen Szene zugehörig und damit antidemokratisch, ist also offenbar auch der Jungen Union präsent.

Gerade deswegen ist es absurd, dass die gegen Mitglieder der JU erhobenen Vorwürfe so lapidar heruntergespielt werden und in eine angeblich unpolitische private Sphäre geschoben werden sollen.

Es ist nicht nur ein Ausrutscher eines CDU-Mitgliedes, der durch Unwissenheit in eine kompromittierende Situation geraten ist. Auf demselben Bild, das Hildebrandt in gemütlicher Runde im sogenannten Germanenhaus zeigt, ist auch Torsten Pyka, Funktionsträger der halleschen JU und Mitarbeiter der CDU-Stadtratsfraktion zu sehen. Wenn es also so ist, dass es lediglich eine freundschaftliche Verbindung zwischen Hildebrandt und einem Mitglied der HLB gibt oder gab, muss es die mindestens auch zwischen Torsten Pyka und einem Mitglied der HLB geben. Im Übrigen sehen beide auf dem Foto nicht gerade danach aus, irgend jemandem „argumentativ die Stirn zu bieten“, wie von Hildebrandt ebenfalls im Interview mit Radio Corax behauptet.

Mit Sven Petzold ist ein weiteres Mitglied der Jungen Union Halle ins Blickfeld geraten. Er gibt in seinem StudiVZ-Profil an, sowohl JU und CDU-Mitglied, als auch in der HLB und der Hamburger Burschenschaft Germania zu sein. Spätestens damit gerät die Behauptung der ausschließlich privaten Verbindung ins Wanken. Angesichts der Tatsache, dass Petzold selbst es war, der diese Doppelmitgliedschaft kund getan hat (und der das Foto, das mit Hildebrandt, Pyka und ihm selbst, drei (!) Vertreter der JU Halle in geselliger Runde mit Mitgliedern der rechtsradikalen Burschenschaft zeigt) stellt sich für uns die Frage, ob die Verbindung zwischen JU und HLB eine rein private Freundschaft Einzelner zu Einzelnen ist, nicht mehr. Wir fordern die Junge Union auf, dazu ernsthaft Stellung zu nehmen.

Die sich aus den Veröffentlichungen des AK Kritischer Studierende ergebenden Fragen sind von den von uns kritisierten Vorgängen im Vorfeld der Hochschulwahl an der MLU nicht zu trennen. Der Studierendenverbund der CDU, der Ring Christlich-Demokratischer Studenten, ließ mit Michael Weidnitzer ein Mitglied der HLB und den ehemals stellvertretenden Vorsitzenden des sächsischen Landesverbandes der Republikaner auf ihren Listen antreten. Nach öffentlichen Protesten und medialer Berichterstattung zog dieser zwar seine Kandidatur zurück, aber aufgrund von Formalitäten seitens des zuständigen Wahlausschusses blieb Weidnitzer auf den Hochschulwahllisten des RCDS für Senat und Studierendenrat. Obendrein bekam er bei der Wahl für den Studierendenrat zehn und dem Senat sogar 38 Stimmen.


Die Fragen die sich noch immer stellen, sind:

Wie ist es möglich, dass Doppelmitgliedschaften in JU und HLB innerhalb der JU nicht problematisiert werden?

Wie konnte es sein, dass ausgewiesene Vertreter eines rechten, antidemokratischen Weltbildes als Kandidaten für einen dem demokratischen Spektrum zugehörigen Studierendenverbund antreten?

Wie kann es sein, dass sich ein Sprecher des RCDS in der aktuellen Ausgabe der Studierendenschaftszeitschrift hastuzeit vorbehaltlos vor Weidnitzer stellt und eine explizit politische, neonazistische Burschenschaft wie die HLB verharmlosend als „Männerstammtisch“ darstellt?

Wie wollen JU und RCDS damit in Zukunft umgehen?

Wird es eine ernsthafte Debatte innerhalb beider Organisationen geben, die die Verbindungen eines Teils ihrer Mitglieder in die rechtsextreme Szene problematisiert?

Wer Rechtsextremismus ernsthaft bekämpfen will, kann die Distanzlosigkeit eigener Mitglieder zu Rechtsextremisten nicht hinnehmen. Dieser Verantwortung müssen sich auch JU und RCDS stellen.


[1] http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=34157, zuletzt abgerufen am 25.05.10.

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