Fundstück der 9. Kalenderwoche 2011

(jj) Seit dem 16. Februar hat der nun ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nichts mehr zu lachen. Es begann mit den Vorwürfen des Bremer Juraprofessors Andreas Fischer-Lescano, der Stellen in Guttenbergs Doktorarbeit als „dreistes Plagiat“ und „Täuschung“ bezeichnete. Er sagte "Die Textduplikate ziehen sich durch die gesamte Arbeit und durch alle inhaltlichen Teile." Guttenberg leugnet diese Vorwürfe zu diesem Zeitpunkt und erklärt sie als "abstrus". Er habe die Arbeit nach vollsten Wissen und Gewissen geschrieben. Aber in den darauffolgenden Wochen wurde immer klarer Guttenberg hat über 80 % seiner Arbeit von zahlreichen WissenschaftlerInnen abgeschrieben.
Bereits einen Tag nach den ersten Vorwürfen wurde die Kritik immer größer. Die Uni Bayreuth forderte Guttenberg auf, innerhalb von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.
Kurz darauf verkündete Guttenberg vorerst auf seinen Doktortitel zu verzichten, leugnet aber weiterhin seine Dissertation sei ein Plagiat. Wegen möglicher Verstöße gegen das Urheberrecht und falscher eidesstattlicher Versicherung, wurden die ersten Strafanzeigen gegen Guttenberg gestellt. Die Kanzlerin hält zu ihm und spricht ihr Vertrauen in Guttenberg aus.
In den Tagen danach: Amtsmissbrauch! Neue Vorwürfe gegen den Lügenbaron werden geäußert. Die Opposition verdächtigt Guttenberg den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages missbraucht zu haben. Zu dieser Zeit haben Hunderte von Plagiatsjägerinnen im Internet auf mehr als 260 Seiten Doktorarbeit abgeschriebene Textstellen gefunden.
Am 21. Februar bittet Guttenberg nun die Uni Bayreuth seinen Doktortitel zurückzunehmen, will sein Amt aber nicht niederlegen.
Zwei Tage später räumt er ein, er habe eine „offensichtlich sehr fehlerhafte Doktorarbeit geschrieben“. An seinem Amt hält er aber weiterhin fest.
Die Opposition wirft ihm vor, er habe „getäuscht, betrogen, gelogen“ - und müsse gehen. Nun erkennt die Uni Bayreuth Guttenberg den Titel ab.
Am 24. Februar wird berichtet, dass sich nun auch der Deutsche Hochschulverband (DHV) zu der Plagiats-Affäre äußert. Er kritisiert das Verhalten von Teilen der Politik als „empörend“. DHV-Präsident Bernhard Kempen erklärt: „Es ist unerträglich, wie die Bedeutung der Wissenschaft und ihrer ehernen Gesetze politisch kleingeredet wird.“ und „Wissenschaft ist die Suche nach Wahrheit. Sie lebt von Originalität und Eigenständigkeit. Der redliche Umgang mit Daten, Fakten und geistigem Eigentum macht die Wissenschaft erst zu Wissenschaft. Plagiate erschüttern daher die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft.“ Der Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint an der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft nicht viel zu liegen und hält weiter zu Guttenberg. Sie argumentiert für das Verbleiben Guttenbergs im Amt mit einer strikten Trennung von „Doktorhut und Ministersessel“.
Zwei Tage später wirft der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften, Jörg Hacker, Guttenberg vor, ein schlechtes Vorbild zu sein: „Unredliches Vorgehen bei der Abfassung wissenschaftlicher Arbeiten stellt eine Handlung dar, die den Respekt vor der Wissenschaft und ihren elementaren Prinzipien vermissen lässt.“ Viele JuristInnen gehen davon aus, dass Guttenberg mit Vorsatz fremde Texte verwendet hat.
Laut http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/Plagiate war der Umfang der Plagiate in Guttenbergs Dissertation die man bis zum 26.02. entdeckt hatte folgender Maßen: 57 von 393 Textseiten sind ohne Plagiatsfunde, d.h. auf 85,5 % der Dissertationstextseiten sind zu dieser Zeit Plagiate nachgewiesen wurden.
Seit dem 28. Februar protestieren nun mehr 30.000 Bürgerinnen im Internet mit einem Brief an Merkel gegen den Umgang mit der „Causa Guttenberg“ (siehe dazu den offenen Brief von Doktoranden an die Bundeskanzlerin http://offenerbrief.posterous.com/). Mehrere Hundert Menschen demonstrierten in Berlin vor dem Verteidigungsministerium und forderten Guttenbergs Rücktritt. Nun wird auch in der FDP sein Rückzug ins Spiel gebracht. Der FDP-Forschungspolitiker Martin Neumann gibt ihm noch „maximal zwei Wochen Zeit“, die Vorwürfe auszuräumen: „Wenn er die Umstände seiner Promotion weiter so im Unklaren lässt, halte ich ihn als Minister und obersten Dienstherren von zwei Bundeswehruniversitäten nicht mehr für tragbar.“ Annette Schavan (CDU) hat großes Verständnis für den Unmut in der Wissenschaft: „Raubkopien sind kein Kavaliersdelikt. Und der Schutz des geistigen Eigentums ist ein hohes Gut.“ Allerdings würde sie ihm eine zweite Chance zugestehen.
Letztlich erklärt Gutenberg unter dem Druck am 01. März seinen Rücktritt. Am 02. März wird sein Nachfolger Thomas de Maizière bekannt gegeben.
Die Reaktionen auf den Rücktritt Guttenbergs AnhängerInnen und GegnerInnen kann man z. B. unter http://www.morgenpost.de/newsticker/dpa ... tritt.html nachlesen. An den Reaktionen kann man nochmal sehr schön das verhöhnende und ignorante Verhalten Guttenbergs BefürworterInnen gegenüber allen ehrlichen WissenschaftlerInnen erkennen. Zum Beispiel sagte der Präsident der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr, Wilfried Seidel: «Die Vorwürfe gegen Herrn zu Guttenberg und der Umgang damit drohten, das Ansehen der Wissenschaft in Deutschland nachhaltig zu beschädigen. Deshalb begrüße ich, dass Herr zu Guttenberg seinen Respekt gegenüber der Wissenschaft bekundet und durch seinen Rücktritt den drohenden Schaden abgewendet hat.». Guttenberg bekundet seinen Respekt? Was für eine Heuchelei. Es ist traurig wie manche Menschen immer noch versuchen Guttenbergs Verhalten zu verharmlosen.
Wir schließen uns der Meinung der Opposition an und kritisieren den ehemaligen Minister und die Kanzlerin. Man kann an diesem Verhalten erkennen wie gering doch der Wert der Bildung und Wissenschaft von Teilen der Politik geschätzt wird. Wer so bewusst betrügt und es dann auch noch leugnet, den kann man nicht vertrauen. Es ist schändlich dass die gute Frau Dr. Merkel als Regierungsoberhaupt dort solche Unterschiede macht und meint die Plagiats-Affäre hätte nichts mit seinem Amt zu tun. Das überhaupt erst darüber diskutiert werden musste, ob Guttenberg wegen seinem Betrug zurücktritt, ist schon ein Skandal für sich. Da sollte sie Sachlage doch eigentlich klar sein.
Nun gut. Er ist zurück getreten. Aber schade ist dennoch, wie es dazu kam. Wäre es nicht schon viel früher an der Zeit gewesen? Warum wurde nicht seitens der Bevölkerung die Forderung nach seinem Rücktritt schon viel früher laut? Warum gab es keine Proteste wegen seiner Arbeit als Verteidigungsminister, die ja wohl eher die eines Kriegsministers war?

http://www.sueddeutsche.de/politik/plag ... -1.1060774
http://www.mopo.de/news/politik---wirts ... index.html
http://www.neues-deutschland.de/dossiers/132.html
http://www.kj.nomos.de/fileadmin/kj/doc/zu_guttenberg.pdf

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