Heinelt: "Krieg und Ökonomie"

(sw) Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der SDS.MLU haben heute zur ersten Veranstaltung der Reihe „Hochschule-Politik-Gesellschaft“ mit dem Schwerpunkt: „Militarismus und antimilitaristische Perspektiven“ eingeladen. Dr. Peer Heinelt, Politikwissenschaftler und freier Journalist referierte zum Thema: „Krieg und Ökonomie – Ursachen gesellschaftlicher Militarisierung“. Dabei ging er vor
den rund 35 Teilnehmer/innen zuerst auf Begrifflichkeiten ein. Der Begriff Militarismus findet in der medialen Öffentlichkeit keine Bedeutung oder könnte, wenn mensch dem Duden folgen würde, auch als notwendiges Übel angesehen werden. Dabei erfahren zwei andere Wörter Hochkonjunktur: Zum einen der Begriff der „vernetzten Sicherheit“, der meist nicht näher ausgeführt wird. Dabei geht es aber, um die Zusammenarbeit von Polizei, THW, NGOs, weiteren Organisationen und der Armee im In- und Ausland. Der andere ist die „zivil-militärische Zusammenarbeit“, welche als Deckmantel für die finanzielle und personelle Kooperation von zivilen und militärischen Einrichtungen fungiert. So arbeitet bspw. die Fraunhofer-Gesellschaft eng mit wehrwissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. Danach ging der Referent auf die lokale Situation ein. Die Website „german-foreign-policy“ berichtete vor einigen Tagen über eine Personalmanagement-Konferenz bei der auch der MLU-Prof. Manfred Becker einen Vortrag hielt. Dieser ist nicht nur Oberstleutnant der Reserve, sondern beklagte auch den eklatanten Fachkräftemängel innerhalb der Streitkräfte. Becker schrieb u. a. am online verfügbaren „Reader Sicherheitspolitik“ der Bundeswehr mit, indem gefordert wird, dass der mediale Kampf um die Öffentlichkeit auch von Seiten der Bundeswehr theoretisch unterfüttert werden müsste. Zudem gebe es ein „Akzeptanzproblem“ der Bundeswehr in den Medien, welches behoben werden müsste.
Im dritten Part der Veranstaltung ging Dr. Heinelt näher auf die Ursachen der Militarisierung ein. Dabei benannte er zuerst die verschärfte Konkurrenz unter den kapitalistischen Ländern welche wiederum zurückwirke auf die neuen Wirtschaftsmächte wie z. B. die Volksrepublik China. Dabei gehe es um einen „verschärften Konflikt um Ressourcen“ und wie Heinelt lakonisch anmerkte, sei das kein Zitat von Rosa Luxemburg, sondern aus einer Mitteilung des Bundeswehrverbandes. Der CDU-Politiker und Dozent am Department War Studies des Kings College in London Friedbert Pflüger sieht in diesem Ressourcenkonflikt gar eine neue Ära des Imperialismus aufziehen. Hierbei stimmte Heinelt zu und sieht in der Propagierung der „Versorgungssicherheit“ und der Repression gegenüber Menschen aus dem „Süden“ die Rechtfertigung der imperialistischen Politik um Waren, Rohstoffe, Arbeitskräfte aber auch Ideen und bezeichnete dies als „wohlstandschauvinistische Grundierung der Politik“. Im Rahmen eines wie auch immer gearteten Krisenmanagements wird die Bundeswehr auf einen globalen Kampfeinsatz vorbereitet – was aus seiner Sicht auch den Einsatz im Inland nicht ausschließe. Die allgemeine Militarisierung sei demnach kein Zufall, sondern die notwendige Konsequenz aus der Politik und des ökonomischen Systems, welches Kapitalismus heißt!
In der anschließenden Diskussion ging es um die deutschen Rüstungsexporte (in Höhe von etwa 80 Mio. Euro) nach Libyen und das Libyen lange Zeit als „Auffanglager für Flüchtlinge (O. Schily, SPD) herhalten musste. Und darum, dass aber derzeit vom bürgerlichen bis weit ins „linksreformistische Lager“ (Heinelt) hinein der Krieg gegen Libyen gerechtfertigt und als notwendig bezeichnet wird. Das zeige sich auch daran, so Heinelt auf eine Nachfrage, dass die Bundeswehr als akzeptierter und teils auch notwendiger Partner bei den NGOs gelte. Hier werde auch in Anlehnung an die vorbestehende Afghanistan-Konferenz (05./06.12.2011) in Bonn bewusst nicht mehr zwischen militärischen und zivilen Organisationen unterschieden. Wie zwei Teilnehmer anmerkten, gelte es gerade im universitären Bereich Widerstand zu leisten und ggf. als militant vorzugehen. Wie Peer Heinelt dazu anmerkte, sei derzeit oft ein Ziel eine Zivilklausel in die Grundordnung der Hochschule zu schreiben, doch muss hier klar zwischen Theorie und Praxis unterschieden werden. Sprich wird diese Klausel auch umgesetzt und halten sich alle Forscher/innen daran oder steht sie nur auf dem Papier was morgen verblichen ist. Trotzdem sei sie wichtig, um ein Bewusstsein für das Thema Rüstungsforschung zu schaffen und die Universität daran zu mahnen. Wie ein Anwesender am Ende bemerkte, sei die „psychologische Kriegsführung heute so einfach“ und dagegen sollte mensch sich aktiv wehren!
Unter http://www.freie-radios.net/40372 findet ihr noch ein Interview, welches Radio Corax mit dem Referenten im Vorfeld geführt hat.

Die nächste Veranstaltung zur HPG-Reihe findet am 12.05.2011 18 Uhr im HS E (Mel) statt. Reiner Braun wird dann speziell zu Rüstungsforschung und zur Zivilklausel sprechen. Weitere Informationen findet ihr unter: http://www.h-p-g.uni-halle.de/

Anmerkungen zur Veranstaltung sind erwünscht und können entweder hier in Form eines Kommentars oder direkt an sds.mlu@googlemail.com gerichtet werden!

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