Fundstück der 19. Kalenderwoche

(sw) Die „2. Nationale Bologna-Konferenz“ ist gelaufen und wenn mensch nur vom Titel ausgeht, dann könnte dahinter alles versteckt sein. Die Hochschulreform (Bologna-Reform) wurde vor zwölf Jahren mit dem Ziel initiiert, einen gemeinsamen europäischen Hochschulraum zu schaffen, der konkurrenzfähig zu anderen Staaten wie den USA, Japan oder China
wäre. Sprich, wenn schon (noch) nicht militärisch, so will mensch doch in Sachen Bildung endlich den wohlverdienten „Platz an der Sonne“ einnehmen.
Wenn mensch sich Berichte, Studien und Zahlen anschaut, die in den letzten Monaten veröffentlicht wurden, fragt mensch sich, wie das BA/MA-System noch schöngeredet werden kann. Aber das geht.
So z. B. über eine eigens in Auftrag gegebene Studie des Ministeriums für Bildung und Forschung. „Mit dem Bachelor in den Beruf“ heißt sie und befragte Studierende, Absolvent/innen und Unternehmen und „beleuchtet die Arbeitsmarktbefähigung, die aktuelle Arbeitsmarktsituation und die Perspektiven von Bachelorstudierenden und –absolventen“. Bezeichnend ist dabei, dass sich auf Wirtschaftswissenschaftler/innen, Ingenieure und Studierende der MINT-Fächer beschränkt wurde, weil so heißt es auf Seite 100: „Nach Absolventen der Geistes- und Sozialwissenschaften wurde nicht explizit gefragt, da die Unternehmen Akademiker aus diesen Fachrichtungen deutlich seltener rekrutieren.“
In bester Gebrüder Grimm Manier, teilt der RCDS darauf hin mit, es gebe „nahezu Vollbeschäftigung“ unter Bachelorabsolventen.
Die Realität sieht aber anders aus.
Wie die Böckler-Stiftung mitteilt, spricht die Hälfte der, einer eigenen Studie zur Studiensituation befragten Studierenden (insgesamt rund 7.600), von „hohen Leistungsanforderungen“, die besonders auf Organisationsprobleme im BA und zu viele Einzelprüfungen im Semester zurückzuführen seien. Zudem müssen mindestens 60 Prozent der Studierenden neben dem Studium arbeiten, was eine weitere körperliche, psychische und finanzielle Belastung darstellt, die viele an ihre Grenzen bringt.
Hinzu komme, so Andreas Keller aus dem GEW-Vorstand, dass „weniger als ein Viertel aller Absolventinnen und Absolventen von Uni-Bachelorstudiengängen in einem Normalarbeitsverhältnis stehen. Nur 40 Prozent von ihnen sind ausbildungsadäquat beschäftigt. Der Bachelor ist vielen Fällen nicht berufsbefähigend.“
Nicht ohne Grund fordern deshalb verschiedene Jugendorganisationen, unter ihnen auch dielinke.SDS, in einer gemeinsamen Erklärung einen freien Zugang zu Masterplätzen (besonders bei Lehramtsstudiengängen) und einen massiven Ausbau der Hochschulkapazitäten.
Schließlich ging es bei der Konferenz vor allem um die Masterplätze und die Mobilität der Studierenden. Beides ist derzeit mangelhaft. Einige Master sind speziell auf den unieigenen BA zugeschnitten und verlangen festgeschriebene Leistungspunkte in bestimmten Bereichen, andere haben sehr begrenzte Plätze, was hohe NCs zur Folge hat. Nicht ohne Grund spricht Ben Stotz aus dem Bundesvorstand von dielinke.SDS vom „Masterdesaster“.
Das die Mobilität eher ab- als zugenommen hat, ist zwar seit den ersten Tagen bekannt, wird aber erst jetzt durch Bildungsministerin Schavan wahrgenommen. Da werden Kurse und Prüfungen von internationalen oder gar anderen deutschen Unis nicht anerkannt oder es entstehen Kosten, die vorher den Bewerber/innen nicht transparent dargestellt wurden.
Die Konferenz zeigt somit nicht mehr nur wie fehlgeleitet die Reform ist und welche Schwierigkeiten bestehen, wenn die Hochschullandschaft und die Studiengänge nach marktwirtschaftlichen Prinzipien organisiert werden sollen. Sondern demonstriert mit nur zwei ausgewählten Studierenden (vom fzs und Jusos) wie (un-)wichtig den Entscheidungsträger/innen die Meinung der Studierenden ist.


Quellen:
http://www.boeckler.de/32014_113587.html, 06.05.11.
GEW-Newsletter Hochschule und Forschung vom 06.05.11: "Bologna-Probleme nicht kaschieren, sondern lösen", 06.05.11.
http://www.freier-masterzugang.org/index.html, 06.05.11.
http://www.bmbf.de/pubRD/mit_dem_bachelor_in_den_beruf.pdf, 08.05.11.
http://www.bmbf.de/press/3086.php, 08.05.11.
http://www.rcds.de/, Pressemitteilung vom 05.05.11 „Der RCDS steht zum Bologna-Prozess: Weder schlecht noch schön reden“, 08.05.11.
dielinke.SDS Pressemitteilung vom 06.05.11. „Schavans Masterdesaster“, 08.05.11.
Lehmann, Anna 2011a. Master für alle. taz 07./08.Mai, S. 10.
Dies. 2011b. Master wird Chefsache. taz 07./08.Mai, S. 4.

Kommentare

  1. Warum fordert eigentlich niemand den Rücktritt von Ministerin Schavan? Was sie sich mit diesem "Gipfel" (besser gesagt: "Schavan-Show") geleistet hat, ist unglaublich. Sie redet sich die eigenen Studien schön, will die Probleme der mangelhaften Finanzierung der Hochschulen und der fehlenden Master-Plätze nicht sehen.
    Zwar sind Liberale und Konservative sowieso von einer beunruhigenden Realitätsverweigerung geprägt, aber Frau Schavan setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

    Solidarische Grüße, Stefan D.

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