"Halt die Fresse" und "Nazis Raus" - Bericht vom 1. Mai aus Halle (Saale)

(r) Nach der erfolgreichen Blockade der Nazis in Dresden waren wir jetzt in unser eigenen Stadt (Halle/Saale) gefragt, den Nazis entgegenzutreten. Die Nazis hatten eine Route vom Hauptbahnhof durch die südliche Innenstadt und zurück zum Hauptbahnhof von der Polizei genehmigt bekommen. Unsere Strategie bestand darin, sie an zwei Punkten mit (Sitz-)Blockaden zu stoppen.
Dazu führte unsere Route vom Rannischen Platz über die Phillipp-Müller-Straße zum Hauptbahnhof. Gegen 10 Uhr ging es mit rund 800 GegendemonstrantInnen (insgesamt wurde von etwa 2.000 TeilnehmerInnen gesprochen, da es nicht nur diese Gegendemo gab) zum COM-Center, wo wir schon eine Straßensperre der Polizei vorfanden. Um die zweite Blockade auf der Merseburger Straße südlich von uns zu unterstützen lief ein Teil weiter. Unsere Blockade am COM-Center bekam regen Zulauf von der Innenstadt, sodass für uns nicht mehr die Gefahr bestand von der Polizei geräumt zu werden. Jetzt bekamen wir die ersten Meldungen über die Nazis, sie sollten 600-700 sein. Um unsere Erfolgschance zu verbessern versuchten einige, nach einer, leider zu lauten Ankündigung, auf die Merseburger vorzudringen, was misslang. Bisher war das für Einzelne kein Problem gewesen, danach jedoch war nach vorne kein Durchkommen mehr. Wir hörten, dass die Nazis losgelaufen seien und nach einer halben Stunde bekamen wir sie dann zu Gesicht. „Nazi Raus, Nazis Raus“ war unsere Parole.
Unsere Blockaden standen!
Die Polizei jedoch ließ sie auf einer unangekündigten Route marschieren, ein Unding, ihnen das zu gestatten. Wir mussten mit ansehen, wie die Nazis einfach an unserer Blockade vorbei marschierten. Nach kurzer Behinderung durch die PolizistInnen machten sich die GegendemonstrantInnen parallel zur Nazi-Demo auf den Weg, deren neue Route zu stören und sie möglichst nicht weiter laufen zu lassen. Durch massives Polizeiaufgebot wurden die GegendemonstrantInnen immer weiter abgedrängt. Wir hatten jedoch nicht die Möglichkeit sie zu blockieren, es blieb beim Mittelfinger und „Nazis Raus“.
Bei der neuen, angeblich verkürzten Route war nicht ganz klar, wo sie lang führen sollte. Ob über die Berliner Brücke und durch Halle Ost oder am Steintor für die Nazis Schluss sein sollte. Im Dauerlauf ging es durch den Stadtpark, vorbei an der Medizinischen Fakultät, zum Steintor. Als wir hier eintrafen hatte die Polizei jedoch schon abgesperrt. Hier blieben wir, unentschlossen wies weitergehen sollte, eine Stunde. Wie sich später herausstellte, hatten mehrere hundert GegendemonstrantInnen am Steintor eine Sitzblockade errichtet, was die Nazis zum Stehen brachte. Erfreulicherweise wurde diese Blockade sogar offiziell als Veranstaltung der Gegen-Demo genehmigt. In der Zwischenzeit trafen immer mehr GegendemonstrantInnen ein, die meisten versuchten zur Ludwig-Wucherer-Straße zu kommen, um auch dort ein Weiterkommen zu verhindern. Wir erfuhren, dass die Nazis jetzt eine Kundgebung in Nähe des Steintora abhielten. Von hier aus konnten die Nazis nur noch denselben Weg zurück oder nach Halle Ost, was jedoch wegen der Verkürzung der Naziroute unwahrscheinlich war.
Deshalb liefen wir zum Halletower und standen nun genau hinter den Nazis und versuchten ihre Kundgebung mit „Halt die Fresse“-Rufen zu stören. Die letzte Gelegenheit die Nazis zu Blockieren war auf die Volkmannstraße zu kommen, die Nebenstraßen waren alle schon abgesperrt.
Da unsere Blockaden durch die Polizei ausgehebelt wurden, wollten wir den Nazis noch einen schönen Abschied bereiten. Ecke Magdeburger Straße/Volkmannstraße sahen wir, dass vor der Brücke eine Sitzblockade entstand, die von der Polizei toleriert wurde. Mit immer mehr GegendemonstrantInnen sollte die andere Straßenseite noch blockiert werden, die jedoch von der Polizei brutal aufgelöst wurde. Jetzt kamen die ersten Nazis und die Stimmung wurde angespannter. Gegen unseren Sprachchor „Nazis raus“ und „Ihr habt den Krieg verloren“ konnten sie nur mit Flaschen antworten. Sie waren kaum 20 m von uns entfernt, in denen gerade mal 3 Polizeiketten waren. Die Polizei drängte uns immer weiter zurück, was ihnen durch das vom Wind zu uns getragenen Reizgas erleichtert wurde. Als viele der GegendemonstrantInnen gerade dabei waren sich die Augen mit Wasser auszuwaschen, kamen immer wieder Gruppen PolizistInnen durchgerannt, um letzte Tumulte zu beenden. JedeR die_der in ihrem Weg stand (gewollt und ungewollt) wurde gnadenlos umgerannt.
Die Gegenaktionen zur Nazi-Demo können insgesamt als erfolgreich bewertet werden.
Fazit: Unsere Blockaden standen und wenn die Polizei endlich mal konsequent gegen Rechts vorgehen würde, hätten die Nazis nicht marschieren können. Nichts desto trotz sind sie eine kleinere „Route“ gelaufen und sie mussten wieder erfahren, dass ihre Meinung nicht akzeptiert/toleriert wird. Beunruhigend ist vor allem, dass die fast 700 Nazis nicht, wie bspw. von Tagesschau und mdr.de berichtet wurde, aus den Kadern von NPD/JN stammen, sondern überwiegend aus dem "Freie Kräfte"-Spektrum kommen. Sprich Kameradschaften und Autonome Nationalisten. Diese sind, wie sich mal wieder zeigte, um einiges gewaltbereiter und treten aggressiver auf. Damit versuchen sie die GegendemonstrantInnen einzuschüchtern. Zeigen aber dadurch umso deutlicher wie nötig und wichtig offener und breiter Widerstand gegen sie ist.

http://nonazisinhalle.tk/ (PM und weitere Infos rund um die Nazi-Demo)
http://www.halleforum.de/Halle-Nachrich ... este/31642 (siehe dort auch die Fotostrecke dazu)
http://www.linksjugend-solid-nrw.de/fil ... 11_web.pdf (S. 32-37 Artikel über "AN")

Kommentare

  1. gesammelte Nazi-Kommentare auf den Nazi-Aufmarsch in Halle unter http://nonazisinhalle.tk/

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