Auszüge aus "Tiere essen"

Was ist die „Artengrenze“ und warum wir Tiere auch als Tiere behandeln sollten

(sw) Im Folgenden werden zwei Auszüge aus dem Buch „Tiere essen“ von J. S. Foer präsentiert. Sie werden nicht kommentiert, weil sich jede/r Lesende selbst eine Meinung zu dem Thema machen soll.

Artengrenze
Zu sagen, dass Berlin in Knut verliebt gewesen sei, wäre eine absolute Untertreibung. […] Zu Knuts erstem Auftritt in der Öffentlichkeit erschienen 400 Journalisten, weitaus mehr als zum EU-Gipfel, der gleichzeitig stattfand. […] Als ein Tierschützer
die Frage stellte – rein hypothetisch, wie er später betonte - ob es nicht besser sei, ein Tier einzuschläfern, als es unter solchen Bedingungen großzuziehen, gingen Schulkinder auf die Straße und skandierten: ‚Lasst Knut leben!‘. […]
Wenn man Knut besucht und Hunger bekommt, gibt es ein paar Meter neben seinem Gehege eine Bude, die ‚Knutwurst‘ verkauft. Sie besteht aus dem Fleisch von Schweinen aus Massentierhaltung, die mindestens so intelligent sind wie Knut und unsere Aufmerksamkeit genauso verdient haben wie er. Das ist die Artengrenze“ (S. 58f.).

Ich bin der Typ, der mitten in der Nacht in eine Farm einsteigt
Ich bin nicht radikal. […] Aber Massentierhaltung ist ein Thema, das jeden angeht – etwas, worüber die meisten vernünftigen Menschen sich einig wären, würden sie die Wahrheit kennen. […] Die erste Farm, in die ich nachts eingestiegen bin, war eine Legebatterie, vielleicht eine Million Hennen. Sie steckten in Käfigen mehreren Etagen übereinander. […] Es hat mich wirklich verändert, festzustellen, dass ein qualvolles Leben schlimmer ist als ein qualvoller Tod. Diese Farm war so schrecklich, dass ich annahm, auch sie müsste eine Ausnahme sein. […] Also stieg ich in eine weitere Farm ein, eine Putenfarm. Rein zufällig war ich nur ein paar Tage vor der Schlachtung dort, die Putenwaren also voll ausgewachsen und standen dicht an dicht. Man konnte den Boden nicht mehr sehen. Die Tiere waren total aus dem Häuschen, haben mit den Flügeln geschlagen, gekreischt, nach einander gehackt. Überall waren tote und halb tote Vögel. […]
Massentierbetriebe berechnen genau, wie dicht am Tod sie die Tiere halten können, ohne sie tatsächlich umzubringen. Das ist das Geschäftsmodell. Wie rasant man ihr Wachstum beschleunigen kann, wie eng man sie packen kann, wie viel oder wenig sie fressen, wie krank sie sein können, ohne zu sterben. […] Wenn ich das Logo einer Firma missbrauche, kann ich dafür ins Gefängnis kommen; wenn eine Firma eine Milliarde Vögel misshandelt, dann schützt das Gesetz nicht die Vögel, sondern das Recht der Firma, zu tun, was sie will. So sieht es mit den Tierrechten aus. […]
Wir leben einer Welt, in der es normal ist, Tiere wie Holzklötze zu behandeln, und es als radikal gilt, Tiere wie Tiere zu behandeln. […] Guck dir an, was wir als Gesellschaft den Tieren angetan haben, sobald wir die technischen Möglichkeiten dazu hatten. Guck, was wir im Namen des ‚Tierschutzes‘ und der ‚Menschlichkeit‘ wirklich tun. Und dann überleg dir, ob du immer noch Fleisch essen willst“ (S. 109-113).

Aus: FOER, Jonathan Safran 2010. Tiere essen. Köln: Kiepenheuer & Witsch, 6. Auflage.

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