"Die Angst vor den Gedanken verlieren"

Zu Lena Stoehrfaktors neuer LP

(sw) Lena Stoehrfaktor, Teil des Musikkollektivs Conexión Musical, hat am 21.01. ihr neues Album "Die Angst vor den Gedanken verlieren" vorgestellt. Im Köpi war Release Party bei der vor sicherlich 200 Leuten neben Lena auch Moral Hazart und das DreamTeam Tapete and the Crying Wölf auftraten - ein genialer Abend halt.

Das Album knüpft da an, wo 2009 Lenas erste Album ("nicht warten, sich hinten anstellen zu können, um hiter etwas zu stehen") aufgehört hat: Kuhler Scheiß!
In insgesamt 14 Tracks thematisiert die Musikerin erkämpfte Freiräume, Unsicherheit und unsichtbare Grenzen. Dabei durchzieht das ganze Album eine stets (gesellschafts-)kritische und selbstreflektierte Haltung, die sich jedoch nicht expressiv, wie es zuweilen bei Sookee zu finden ist, sondern eher nachdenklich, fast unsicher ausdrückt.
Während sie im ersten Track die "repressive Toleranz" (Marcuse) thematisiert und die Unsicherheit vieler Menschen ausdrückt, welche gern was sagen würden, aber sich nicht trauen ("Du fühlst dich unerhöhrt, unerwünscht und ungefragt, weil es drauf ankommt wer du bist, wenn du den Mund aufmachst"), spricht sie im Titeltrack die gedanklichen Freiräume an, die jede/r sich selbst und gegenüber anderen immer wieder erkämpfen muss, weil "Selber denken ist geil"! Die Tracks 4 und 10 sieht sie selbst als Kritiktracks an der Szene. Für jede Person, die in linken Strukturen unterwegs ist, quasi Pflichtsongs ("Du scheißt auf Hierarchien, doch besteht die Chance auf Aufstieg, frag dich nochmal wie's mit deiner Abneigung so aussieht"). Zudem hat sie eine Fortsetzung von "Freu dich" aus dem Conexión Album "Nicht hingenommen" (2006) geschrieben. Doch diesmal als Gegenperspektive. Während sie bei "Freu dich I" (mit super TKKG-Zitaten) den Alltag nur mit Kiffen übersteht, verarbeitet sie nun ihre Erfahrungen von den Drogen loszukommen - ohne dabei zu idealisieren. Interessant ist auch die Kollabo zwischen Lena und Mc josh auf dem Track "Ich bin das, was du studierst". Der Song, der inkl. Video schon seit Sommer 2011 bei youtube zu finden ist, handelt von Menschen, die eher auf den Schein achten und sich (zu) gerne darstellen (die Künstlerinnen beziehen sich v. a. auf übertriebene und betonende Darstellung von Menschen, die lesbisch sind und meinen, sich v. a. darüber definieren zu müssen - "Du musst keinem beweisen, mit wem du's treibst, zu was du neigst. wir wollen nur, dass du weißt: Für uns gibt es kein zurück in dieser Angelegenheit.").
Auch die Beats sind super ausgewählt, wobei besonders Lied 2, 9 und 12 herausragen (wobei auch Lied 11 der Knaller ist. Jedoch ein eher ungewöhnlicher Beat, der einige Hörwiederholungen erfordert, um ihn schließlich zu feiern).
Rund um ein gelungenes Album, welches wie an sich alle Conexión- und Lena-Songs zum Nachdenken anregen. Das heißt, es sind eher keine Party-Tracks, sondern geniale Hörbegleiter für S-, U-Bahn oder Straba.
Das Album kann entweder bei Conexión direkt für 5 Euro bestellt werden oder kostenlos heruntergeladen werden - am Geldbeutel sollte es also nicht scheitern.

Lena Stoehrfaktor 2012. Die Angst vor den Gedanken verlieren
http://www.conexionmusical.de/
http://www.youtube.com/watch?v=TIdlcOh0nEM ("Ich bin das, was du studierst" feat. Mc josh-Video)
http://www.youtube.com/watch?v=7cFjUu_N-qM (Album-Snippet, wer noch nicht überzeugt ist ;) )

Und am 10.02. 21 Uhr tritt Lena Stoehrfaktor mit Dj Noizy Neighbour in der Reil78 in Halle auf.

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