Updates zum Reader zu Studentenverbindungen / Dezember 2021

Ein neuer Text zur Damenverbindung Ariadne und zwei Updates aus dem vergangenen Jahr:

Damenverbindung Ariadne zu Halle:

 

Bereits 2007 wurde in Halle mit ADV Felicitas Laureata eine Damenverbindung in Halle gegründet, die im Jahr 2011 aber wieder aufgegeben hat. Seit dem Sommer 2020 ist unter den Farben Gold-Weiß-Bordeaux allerdings erneut eine Damenverbindung in Halle in Erscheinung getreten. Auch wenn wir die meisten Verbindungen ja deshalb kritisieren, weil sie sich als Männerbund organisieren, ist die Situation bei Damenverbindungen nicht wirklich besser. Der strukturell angelegte Sexismus ist in dieser Form der Geschlechtertrennung angelegt und wird auch in den Ritualen gelebt (als vermeintlich weibliche Verbindungspraxis). Insgesamt scheint die Damenverbindung Ariadne nicht von dem VDSt Halle-Wittenberg und von der Landsmannschaft Vitebergia, die offensichtlich ein freundschaftliches Verhältnis zu dem Bund pflegen, abgrenzbar zu sein. So wurde die Gründungsveranstaltung in deren Häusern abgehalten - dasselbe gilt für einige Nachfolgeveranstaltungen. Daraus folgt auch, dass die Damenverbindung selber kein Haus in Halle besitzt, was daran liegen dürfte, dass Damenverbindung meistens keine mit den “Alten Herren” vergleichbare Unterstützung aus der Verbindungsszene erhalten und aufgrund ihres relativ neuen Erscheinens ebenfalls keine Ansprüche auf “vererbte Immobilien” haben. Bundesweit sollen schon viele Damenverbindungen aufgegeben haben, weil sie aus dem etablieren Männermilieu angefeindet wurden. Das können wir für die “DV Ariadne” noch nicht feststellen, allerdings hält sie sich an die traditionelle Symbolik der Studentenverbindungen. Neben der Betonung des Akademischen gehen die Ausflüge an entsprechende Ziele: Das nationalistische Leipziger Völkerschlachtdenkmal prangt auf dem Programm dieses Wintersemesters und man besucht die Sachsen-Anhalter Rudelsburg, die beispielsweise zentral für Verbindungen bzw. Corps des Kösener Senioren Convents Verbandes (KSCV) ist und zusammen mit der Burg Saaleck in der Weimarer Republik zum Symbol monarchistischer und antidemokratischer Phantasien wurde. Ein weiterer Ausflug führt dann konsequenterweise zum “Burschenschaftsdenkmal” auf der Wartburg in Eisenach, welches aufgrund seiner faschistischen Ästhetik von den Alliierten 1946 teilweise zerstört wurde und heute noch von engagierten Bürger:innen immer wieder optisch kontextualisiert wird. Damit steht ihr Denkmal der Deutschen Burschenschaft und ihren (informellen) Arierparagraphen offensichtlich in nichts nach. Allerdings geht uns auch nicht darum, die Ausflüge studentischer Verbindungen zu bewerten. Während über die DV Ariadne schlicht wenig offizielles bekannt ist, wollen wir damit vor allem darauf hinweisen, dass sie sich effektiv innerhalb des verbindungsstudentischen Bezugsrahmens bewegt und keinerlei Distanz zu diesem Milieu hat. Mit der DV Ariadne gibt es also nur mehr vom Gleichen. 

 

Halle-Leobener Burschenschaft Germania (HLB Germania):

 

Als der SDS 2019 einen Reader über in Halle ansässige Burschenschaften veröffentlichte, sollte dieser den Leser*innen ermöglichen, diese besser für sich selbst einzuordnen. Im Kapitel über die Halle-Leobener Germania fiel diese Einordnung mehr als leicht. Sich selbst als „Germanen“ bezeichnend und die "deutschen Farben" führend, tritt die HLB kämpferisch in der Öffentlichkeit als Mitglied des rechtsextremen Verbands Deutscher Burschenschaft (DB) für „Ehre – Freiheit – Vaterland“ ein - unter Ausschluss all jener, die nichtdeutscher Herkunft oder weiblich sind, versteht sich. Mit einem speziellen Geschichtsverständnis gesegnet, begehen diese "pflichtschlagenden Patrioten" jährlich den „Volkstrauertag“ Mitte November, um „Opfer von Krieg und Terror“ zu betrauern. Also deutsche Opfer natürlich, die dem vermeintlich grausamen und ungerechtfertigten Terror der Alliierten erlagen. Dennoch schaffen die „Germanen“ es, sich beim oberflächlichen Betrachten einen bürgerlich-konservativen Anstrich zu geben. Sie wollen „patriotischen Studenten eine Heimat“ geben, stellen semesterbegleitende Programme auf und werben für das Wohnen im Germanenhaus, die dort zu findende Brüderlichkeit und die Unterstützung eines jeden Burschenschaftlers auf alle Zeit. Bei genauerem Hinsehen allerdings offenbart sich der treue Männerbund als Ort der Vernetzung für die "neurechte", also faschistische Szene. 2019 war bekannt, dass es zwischen rechten Vereinigungen wie der faschistischen „Kontrakultur“ in Halle und den „Germanen“ nicht nur ideologische, sondern auch zahlreiche personelle Überschneidungen gab. Kontakte bestanden zu der asylfeindlichen Initiative „Ein Prozent“, dem rechten „Nachrichtenportal“ Halle-Leaks, der militanten „Identitären Bewegung“ und dem „Institut für Staatspolitik“, einem zentralen Akteur neurechter Bildungsarbeit. Einige Burschenschaftler wiesen Engagement in der NPD oder der JN in ihrem Lebenslauf auf, andere ließen sich mit der AfD oder der Jungen Alternative ein.

 

Nun hat das Portal "LSA rechtsaußen", das bereits 2019 wertvolle Quellen zur Einordnung der Germanen lieferte, zusammen mit der TAZ eine Reportage unter dem Titel "»Sieg Heil, Herr Hauptmann« – rechte Prepper in der Bundeswehr“ veröffentlicht. Die Reportage beginnt 2015, als inmitten der „Flüchtlingskrise“ im September Mitglieder der Leipziger Burschenschaft Germania sowie ihre Partnerinnen sich zusammenfinden, um in den Chatgruppen „Endkampf“ und „Zuflucht Beuden“ Vorbereitungen für den Tag X zu treffen. Der Tag X wird dabei als Systemzusammenbruch mit zwingend folgendem Rassenkrieg verstanden, für den sich gewappnet wird. Man will sich, bewaffnet und mit Lebensmittel über Monate hinweg versorgt, in Beuden verschanzen können wenn der Ernstfall eintritt. Die Gruppe besteht aus den Ehepaaren Jana K. und Jörg K. (Beuden), Gunnar G. und Astrid G. (Markkleeberg), sowie Michael S. und Danilo R. (beide aus Leipzig). Auch die stolzen „Germanen“ aus Halle haben bei diesem absurdem Stück aus Paranoia, Patriotismus, Rassismus und Antisemitismus ihre Rollen inne.

 

Im Dezember 2015 berichtet einer der Teilnehmer in der „Zuflucht Beuden“ begeistert von einer „herrliche(n) Schießbahn! Absolut professionell, da sollten wir demnächst mal in unserer Runde hinfahren…“.

Diese sei im Besitz des Verbandsbruders Schöbe, bei dem man jederzeit einen Termin ausmachen und vorbeikommen könne. Diese Euphorie wurde auf der gemeinsamen Feier zur Wintersonnenwende der Leipziger Burschenschaft Germania und – es mag einen erschüttern, aber kaum überraschen – der Halle-Leobener Burschenschaft (HLB) Germania entfacht. Bei Einladung wurde wenig verschleiernd ein „Schießwettbewerb mit Kurz- und Langwaffen“ angekündigt. Organisiert wurde diese Feier von Thomas Schöbe. Schöbe ist der Vorsitzende des Altherrenvereins der HLB Germania, einem Verbund ehemaliger Studenten der Burschenschaft, die finanziell und ideologisch sicherstellen, dass es ihrer Burschenschaft an nichts mangelt. In Gräfenhainichen, Sachsen-Anhalt, besitzt laut den Recherchen Schöbe das „Hofgut Müchauer Mühle“ und eine sich dort befindende professionelle Schießhalle. Auf sechs 100m-Bahnen und einer 50m-Bahn kann man, bestätigt von elektronischen Trefferanzeigen, die Phantasie der mannhaften Verteidigung des eigenen Vaterlandes exzessiv und in vollen Zügen genießen. Dass Schöbe für diesen Freizeitspaß laut Medienberichten seit 2015 keine Betriebserlaubnis besaß, und das Schießtraining damit illegal gewesen sein muss, sollte natürlich nicht unerwähnt bleiben. Doch abgesehen davon, dass er eine illegale Schießhalle betreibt und Alter Herr der Germanen ist – wer ist Thomas Schöbe eigentlich?

 

In den 1970ern versucht die Familie in den Westen zu fliehen, scheitert aber und wird inhaftiert. Nach Freikauf durch die BRD wird Thomas Schöbe Gynäkologe, ist unter anderem im hessischen Bad Sooden-Allendorf tätig. Seine Kindern gehen auf eine Schule, an der damals Björn Höcke unterrichtet. Die Eltern kehren nach der Wende nach Sachsen-Anhalt zurück und richten auf dem Hofgut der Familie die Schießhalle ein. In den 1990ern engagiert sich Thomas Schöbe mit seinem Vater als alter Herr der HLB-Vorgängerin "Burschenschaft Franco-Germania Halle". 1999 geht aus dieser bei einer Fusion die HLB Germania hervor, für die ein Jahr später auf dem Familiengut die erste Sonnenwendfeier veranstaltet wird. Liederabende mit dem offen rechten Frank Rennicke, ein Vortrag des damals noch führenden Szene-Aktivisten Steffen Hupka und ein Konzert, auf dem der in Halle mehr als gut bekannte Stadtnazi Sven Liebich auftaucht, prägen das Bild der „Müchauer Mühle“ als idealen Vernetzungsort für Faschist*innen und Neurechte. 2014 erbt Thomas Schöbe das elterliche Landgut. Auch unter ihm ist die "Müchauer Mühle" offenbar Dreh- und Angelpunkt der regionalen Neonazi-Szene. Die wiederholt ausgesprochenen Einladungen zum Schießen für die „Zuflucht Beuden“ sind nur ein Beispiel davon. Ein anderes ist die offene Unterstützung von Götz Kubitschek bei der Frankfurter Buchmesse 2018, wo Schöbe auf Bildern am Verlagsstand zu sehen sein soll. Doch nicht nur zu der rechtsextremen Gruppe „Zuflucht Beuden“ lassen sich Verbindungen finden, die von der HLB Germania ausgehen. Auch mit dem „Hannibal-Netzwerk“, einem weiteren Netzwerk rechter Prepper in der Bundeswehr, gegründet von dem aus Halle stammenden ehemaligen KSK-Soldaten André S. sind personelle Überschneidungen zu finden. Auch das Netzwerk der Hauser-Familie hatte seine Vertreter bei den "Germanen". Der Vater Gerhard Hauser, Allgemeinmediziner und Rechtsextremer, gehörte der Hannibal-Chatgruppe "West" an und besuchte 2017 das Stiftungsfest der HLB. Seine Söhne sind mit Schöbe befreundet, präsentieren sich gleichermaßen als "Waffennarren", haben in die Kubitschek/Schenke-Familie eingeheiratet oder waren Teil der HLB.

 

Bereits 2019 kritisierte der SDS die HLB Germania als offen faschistische Burschenschaft, die sogar in der rechtsextremen DB zu einer Strömung gehört, die sich für einen stärkeren Rechtsruck (bei der Diskussion um einen "Arierparagrafen" etwa) einsetzt. Diese Einschätzung wird durch die neuesten Erkenntnisse nicht nur bestätigt, sondern verschärft.

Mit dem erwähnten Alten Herrn und dem ehemaligen Burschenschaftler aus der Hauser-Familie wird an nur zwei Personalien deutlich, wie eng die Verzahnung der „Germanen“ mit bewaffneten, gewaltbereiten und gefährlichen Rechtsextremen ist. Für eine Burschenschaft, die nicht nur solche Kontakte pflegt und solche menschenfeindlichen Positionen fördern will, sondern sich scheinbar auch auf den "Rassekrieg" an Tag X ganz praktisch vorbereitet, ist an der MLU Halle-Wittenberg kein Raum zu lassen. Egal, wie sehr sich um einen intellektuellen Anstrich und die Förderung "konservativer" Ideologie nach außen hin bemüht wird: wer unter einem Kronleuchter in Form einer schwarzen Sonne Trinkgelage feiert, wer rassistisch hetzt und Frauen verachtet, wer rechte, potentiell tödliche Netzwerke unterstützt und mit aufbaut – so jemand ist schlicht und ergreifend ein Neonazi und - wie erwähnt - auch noch äußerst gefährlich. Deshalb sollte die HLB Germania nicht als "Traditionsvereinigung" gesehen werden, sondern als eine, die letztendlich mit (tödlicher) politischer Gewalt plant. Das passt dann auch zu den mörderischen Freikorps, die nicht nur die historischen Vorbilder für die Leipziger Germanen darstellen. Die Uni Halle sollte sich als Reaktion auf die erschreckenden Rechercheergebnisse dringend öffentlich distanzieren, ebenso wie sie es bei der "Identitären Bewegung" gemacht hat. Ebenso müssen sich jetzt Studentenverbindungen wie die Landsmannschaft Vitebergia zu den faschistischen Umtrieben bei der HLB Germania verhalten, die einen gemeinsamen Waffenring mit dieser betreibt. Wer sich von Fechtpartien unter einer (ideologischen oder echten) "Schwarzen Sonne" nicht distanziert und daraus die entsprechenden Konsequenzen zieht, muss von jeder demokratischen Hochschulpolitik nicht nur kritisiert, sondern bekämpft werden.

 

VDSt Halle-Wittenberg:

 

Schwarz-Weiß-Rot ist die Fahne der Demokratiefeinde!

Auf den in der Überschrift genannten Satz konnten sich nach dem 29.08.2020 alle einigen, die erschrocken über randalierende Nazis vor dem Bundestagsgebäude waren. Denn insbesondere mit dem Schwenken der sogenannten “Reichsfahne” machten die Faschist*innen wie Attila Hildmann deutlich, dass sie mit Demokratie und Menschenrechten nichts zu tun haben wollen. Und das passt auch: Zuerst stand “Schwarz-Weiß-Rot” für das militaristische und diktatorische Kaiserreich, welches kolonialistischen Völkermord begangen hat und Arbeiter*innen unterdrückte, danach stand die Fahne für diejenigen, die die Weimarer Republik durch unterschiedliche Facetten des Faschismus ersetzen wollten. 1934 wurde der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg, der Hitler zum Reichskanzler gemacht hatte, in diesen Farben beigesetzt - die Nazis stellten Hakenkreuz und Reichsfarben als offizielle Symbole des NS-Staates nebeneinander.

Wer also im 21. Jahrhundert mit Schwarz-Weiß-Rot wedelt, weiß offensichtlich was er tut. Zu dieser Erkenntnis sind auch etliche Journalist*innen und Politikwissenschaftler*innen gekommen, die dazu befragt wurden. Allerdings wird diese berechtigte Kritik selten konsequent angewendet, denn in vielen deutschen Universitätsstädten gibt es studentische Männerbünde, die die kaiserlichen Farben sogar mit Stolz als die ihren bezeichnen. Der “Verein deutscher Studenten Halle-Wittenberg” (VDSt Halle-Wittenberg) trägt diese Farben “nicht nur aus Traditionsgründen”, sondern scheinbar auch aufgrund einer Sympathie zum Kaiserreich. Im Herzen der vermeintlich demokratischen Mitte der Gesellschaft, gibt es also studentische Männer, die selbst nach der Beseitigung der Weimarer Republik und nach dem gegenwärtigen Versuch die bestehende Demokratie zu beseitigen, an diesen Farben festhalten.

Offensichtlich fehlt es an dem notwendigen Druck um die "deutschen Studenten" von ihren Farben abzubringen. Das liegt auch daran, dass dort nicht nur Mitglieder der FDP, sondern bspw. ebenso einzelne Sozialdemokraten ein- und ausgehen. Alle politischen Gruppierungen sollte sich fragen, wie kaiserliche Farben mit einem antifaschistischen und demokratischen Grundkonsens zusammengehen können. Was ist es wert, wenn FDP-MdBs wie Konstantin Kuhle bei Twitter verlautbaren lassen, dass ihnen “schlecht” wird, wenn sie Schwarz-Weiß-Rot vor dem Parlament sehen, wenn der jungliberale Spitzenkandidat und in dieser Funktion inzwischen Landtagsabgeordnete von Sachsen-Anhalt selbst aktives Mitglied einer Verbindung mit diesen Farben und dem Panier “Mit Gott für Volk und Vaterland” ist? Was sagt es über die SPD aus, wenn ihr designierter Spitzenkandidat Scholz vor Flaggen aus einer “schlimmen dunklen Vergangenheit” warnt, aber die Ächtung bei den Kumpels vom VDSt aufhört?

Wir sagen dagegen: Wer feststellt, dass Schwarz-Weiß-Rot die Fahne der Demokratiefeinde ist, muss auch feststellen, dass der VDSt genau diese Fahne mitträgt! Wir fordern eine Distanzierung von allen Demokrat*innen gegenüber der Reichsverherrlichung des VDSt-Männerbundes!


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