Raumflugplanetarium Sigmund Jähn

Es war nur eine Nebenmeldung, weil ziemlich viele sich lieber über die Eröffnung gefreut haben, aber das “Planetarium Halle” hat seinen Namen verloren. Der Astronaut Klaus-Dietrich Flade hat Kritik daran geäußert, die die MZ aufgegriffen hat, weshalb es nicht komplett übergangen wurde. Der ehemalige Astronaut Ernst Messerschmid sei deshalb nicht zur Eröffnung des Planetariums gekommen. Damit sind beide Stimmen recht repräsentativ für die Raumfahrt, die die hallesche Provinzposse um das Planetarium international mehr als irritiert aufgenommen hat.

Denn 2021 wurde vom halleschen Stadtrat beschlossen, dass ein schönes neues Planetarium nicht den Namen von Sigmund Jähn, dem ersten Deutschen im All, tragen darf. Während uns die Nationalität von Kosmo- oder Astronaut*innen ziemlich egal ist, zeigte sich die hallesche Stadtelite von ihrer ziemlich peinlichen Seite: Als die ersten Konservativen mit dem Gedanken ankamen, dass Jähn ja in der DDR Kosmonaut war und man den Systemkonflikt schließlich nicht aus dem Grund gewonnen hätte, um ehemaligen DDR-Bürger*innen noch irgendeine Form von Ehrung angedeihen zu lassen, hielt sich nun jeder für berufen, sinnlose Vorschläge zu machen.

Während die CDU sich vollends im Kalten Krieg gegen ein untergegangenes Land wähnte, wollte insbesondere die OB-Wiegand Fraktion “Hauptsache Halle” die Weltgeltung Halles betonen und das Planetarium nach Neil Armstrong benennen. Der erste aus der Region im All? Pah, der erste Mensch auf dem Mond! Halle ist immerhin die Stadt der Superlative. Die rechtsextreme AfD schlug dann natürlich einen Deutschen vor, der sich aus Perspektive der Kommunal-Faschos schon deshalb qualifiziert haben mochte, weil er in ihrem “Ostdeutschland” (also Gebiete, aus denen Deutsche 1945 zurecht rausgeworfen wurden) geboren wurde. Die GRÜNEN haben es dann “konstruktiv” versucht und sich damit durchgesetzt: Ihr Antrag, den Namen einfach komplett zu streichen, war erfolgreich.
Dabei ist eines wichtig: Es spricht (soweit wir wissen) nichts gegen den Astronom Alfred Weigert, die Astronaut*innen Judith Resnik oder Neil Armstrong, es ist die Perspektive der vorschlagenden Fraktionen, die das Problem ist. Denn Sigmund Jähn war Teil des Systems der DDR, aber das war es auch – vom Denunzieren oder Bespitzeln ist nichts bekannt. Auch sonst gibt es in Ost und West nichts Negatives über den ehemaligen Kosmonauten, der sich, würde er noch leben, wahrscheinlich bescheiden gegen das ganze Theater ausgesprochen hätte.

Und das sicherlich zurecht: Auch unter den Jähn-Fans gibt es genug, die andere Interessen damit verbinden und allzu “ostalgisch” daherkommen. Aber man muss aus unserer Perspektive einfach anerkennen, was seit der Wende ständig passiert: Völlig unproblematische Menschen mit großen Leistungen werden gezielt entehrt, während es in Deutschland Rommel-Kasernen und Hindenburg-Alleen gibt. In Bautzen soll ein Bismarck-Denkmal wieder errichtet werden und wer dagegen ist, gilt als Vertreter der “Cancel Culture”. Aber Sigmund Jähn muss weg – ohne, dass es den Leuten selber peinlich ist!

Die absolut verschobenen Maßstäbe gelten übrigens auch in Halle: Als die Uni aus Imagegründen mit ihrem (damals) neuen Steintor-Campus nicht in der Straße liegen wollte, die nach dem Eugeniker und NS-Lehrerbundmitglied Emil Abderhalden benannt wurde, hat sich der Stadtrat mehrheitlich gegen eine Umbenennung entschieden, da Abderhalden auch Verdienste gehabt hätte. Die halleschen Straßen sind benannt nach Antisemiten wie Ernst Moritz Arndt oder dem “Turnvater Jahn”, für den die faschistische Burschenschaft ein Zusatzschild spendieren durfte, preußischen Offizieren und einer ganzen Menge an NSDAP-Mitgliedern. Trotzdem ist die Empörung schon riesig, wenn man nur darauf hinweist. Oder denken wir an die Diskussion rund um den Antisemiten, Sexisten und Klassenfeind Martin Luther – die letzte Online-Diskussionsrunde hat mehr Menschen interessiert als jede Kürzungsdiskussion. Für die Abschaffung des Raumflug-Planetariums Sigmund Jähn hat es aber gereicht, dass Sigmund Jähn Kosmonaut war.

Da diese Situation, wenn auch etwas weniger absurd, bundesweit zu beobachten ist, können wir uns auch denken, wie die inhaltliche Ausrichtung des Zukunftszentrums aussehen wird. Das wiedervereinigte Deutschland will endlich vergessen, dass es (aus guten Gründen) mal geteilt wurde. Die Diskussionen werden also nicht besser. Auch deshalb halten wir es für wichtig, an Sigmund Jähn zu erinnern, der ein bodenständiger Pionier der Raumfahrt war. Aus diesen und vielen anderen Gründen stellen wir klar: Das Raumflug-Planetarium Sigmund Jähn bleibt!

Wer das auch so sieht, kann unter Umständen nach diesen Stickern Ausschau halten, welche die Organisation “Undogmatischen Freund*innen der Raumfahrt u.V.” (uneingetragener Verein) produziert. Wir können aber natürlich auch unkompliziert einen Kontakt herstellen, wenn ihr ein paar Sticker haben wollt!



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kipping: Grundeinkommen schafft keine "Insel der Glückseligen"

Prüfungen und Noten sind falsch

Auf nach Schnellroda - IfS verbieten!