“Dann gehe ich jetzt …” Bitcoin, Neoliberalismus & Hochschulwahl
Am 17. Mai hatte die Liberale Hochschulgruppe (LHG) gemeinsam mit der "Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit" zu einer Gesprächsrunde zum Thema Bitcoin eingeladen. Als Redner konnten der Bitcoin-Enthusiast Ijoma Mangold und der OVGU/IWH-Wirtschaftsprofessor Reint E. Gropp gewonnen werden. Als SDS hatten wir im Vorfeld eine Kritik geschrieben, die sich weitgehend bestätigt hat – insbesondere das gemeinsame Auftreten der beiden Referenten auf dem ideologischen Spielfeld des Neoliberalismus wurde mehr als deutlich.
Aber der Reihe nach: Der erste Wunsch, den wir nach dem (angemeldeten) Eintreten in den Veranstaltungsraum im Löwengebäude hatten, war es, wieder zu gehen. Nur leider hatten wir uns durch die Anmeldung bei der angeblichen Freiheitsstiftung durch die Annahme der AGB dazu verpflichtet, das volle Programm wahrzunehmen. Wir dachten uns: Das sind ja feine Liberale! So weit geht der freie Marktplatz der Ideen dann doch nicht. Und sind als rechtschaffende Menschen natürlich geblieben.
Andere hatten da deutlich anarchistischere Züge und so gab es nach 45 Minuten, in denen sich die Referenten über die Frage ins Wort gefallen sind, ob es insgesamt immer besser wird oder ob es immer besser wird, aber das Geld immer schlechter, den absoluten Höhepunkt der Veranstaltung. Ein eher älterer Teil des Publikums zeigte deutlich, warum intergenerationelle Zusammenarbeit so wichtig ist, in dem sich eine Person aus der Gruppe erhob und nicht nur zum Ausreden mahnte, sondern auch sofortigen Aufbruch ankündigte, sollte nichts Spannendes mehr zum Thema "Bitcoin" geäußert werden (O-Ton: "Hier geht es nur um die allgemeine wirtschaftspolitische Lage! Das weiß ich selber alles!"). Das konnte die Naumann-Stiftung nicht versprechen und so befreiten sich die betreffenden Personen aus dem AGB-Zwang, lösten die Ketten des Marktes und verließen schimpfend das Löwengebäude.
Trotzdem, oder gerade weil dieses unheimlich wichtige kritische Korrektiv weg war, ging der selbstgefällige Ritt durch die Geistesgeschichte, gepaart mit der Bewunderung für den Bitcoin-Diktator Nayib Bukele (El Salvador) oder den Schlächterfreund Hayek, ungehindert weiter. Biblische Referenzen, Blockchain-Metaphern und geopolitische Dollar-Analysen prägte das Bild von zwei Menschen, die gar nicht genau wissen, warum sie eigentlich gegeneinander antreten. So versicherten sich Moderation, Teile des Publikums und Referenten gegenseitig der Tatsache, dass man unter Liberalen sei - als sei das etwas Positives!
Jedenfalls brachte dann ein Wortwechsel zwischen Gropp und Mangold den Kern des bzw. unseres Problems perfekt an die Oberfläche: Der Wirtschaftsprofessor verteidigte den Status Quo gegen den Bitcoin, was ihn theoretisch erstmal sympathischer machen könnte - könnte, denn die Sicht darauf ist natürlich eine knallhart neoliberale. So war sein Hauptkritikpunkt auch nicht der Besitzstandschauvinismus der Bitcoin-Bros, sondern dass die Bitcoin-Anhänger*innen ja behaupten würden, es gäbe ein Problem. Nur sagt die Wirtschaft: Es gibt doch gar kein Problem, die Reallöhne würden steigen, gegen die Vermögensungleichheit könne man eh nichts machen und die Inflation sei so noch nie so niedrig gewesen.
Das ist offensichtlicher Unsinn, denn der Gang in den Supermarkt reicht schon, um hier zu deutlich anderen Erkenntnissen zu kommen. Natürlich haben diejenigen, die Niedrig- oder Durchschnittslohn verdienen, Bafög, Bürgergeld oder Unterhalt bekommen, in der Regel nicht die Möglichkeit sich für den Bitcoin zu entscheiden, um sich gegenüber der Inflation abzusichern (ganz unabhängig davon, dass das bei einem Spekulationsobjekt auch gar nicht funktionieren würde). Sie konnten auf dem Podium einen Vertreter des Status Quo sehen, der sagt, dass die neoliberale Wirtschaft die Beste aller möglichen Wirtschaftsformen ist und man sich nicht so anstellen soll. Und sie konnten seinen Gegenpart als denjenigen feststellen, der bei allen relevanten Punkte zustimmt, aber seine Schäfchen im Namen der selbsternannten vermögenden Mittelschicht ins Trockene bringen will.
Für einen Großteil der Menschen, also für die Arbeiter:innen, ist dabei nichts zu holen. Der Bitcoin ist im besten Fall eine technokratische Fiktion, genau wie die "unpolitische" Geldpolitik von EZB und Co, die der Verantwortung von demokratischen Entscheidungsträger*innen genau aus dem Grund entzogen wurde, dass man eben nicht im Sinne der Menschen auf aktuelle Entwicklungen reagieren kann und darf. Dieselbe technokratische Fiktion sehen wir übrigens auch bei den Jungen Liberalen (JuLis) und bei der LHG, die in ihrem Wahlprogramm zur Hochschulwahl, die übrigens noch bis zum 7. Juni geht, überall den technischen Fortschritt entdecken will und deswegen eine vermeintlich "sachliche Politik" gegen den "Extremismus" abzugrenzen glaubt, also in genau der gleichen Weise die politischen Möglichkeiten ideologisch begrenzen will. Solange angeblicher politischer Extremismus zu Hause bleibt, kann man eben auch mit Musk und Bitcoin zum Mars fliegen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen