Liberale Hochschulgruppe goes Cryptobro?

 Hat die Liberale Hochschulgruppe (LHG) die letzten fünf Hochschulwahlen gewonnen und der Neoliberalismus alle Lösungen für uns parat? Vielleicht, denn die Welt ist eine Simulation. Also vielleicht. Denn viele Menschen denken tatsächlich (zurecht), dass Bitcoin ziemlicher Quatsch ist.
Das gilt dem LHG-Referenten Ijoma Mangold, der am Mittwoch (17.05.) im Löwengebäude reden soll, allerdings schon als Gefangenschaft in der Matrix, wie er in seinem Buch “Die Orange Pille” ziemlich wörtlich ausführt. Denn altes und schlechtes Geld ohne Krypto-Kram ist ihm zuwider, Ausdruck gar einer "Clownswelt". Er hat seine Erweckungshoffnung ganz auf den Bitcoin konzentriert, wähnt sich wie Esoteriker*innen und Truther*innen im "Kaninchenbau" und wird immer tiefer hineingezogen - was Anlass zur Sorge geben sollte, ist der LHG Anlass dazu, ihm eine Bühne zu bieten.
Aber selbst wenn Mangold nicht durch seine Wortwahl bestätigt hätte, dass die Bitcoin-Bros mindestens sektenähnliche Züge aufweisen, so sollte er sich als spannender Gesprächspartner durch folgende Sätze erledigt haben, die er zur Frage verliert, wie er im Bitcoin-Rausch gelandet ist:
"Aber dann muss ich über die Ironie schmunzeln, dass es ausgerechnet mich, einen etilen Literaturkritiker und Ästhetizisten, der sich noch nie im Leben für irgendetwas Technologisches interessiert hat, mit Bitcoin dermaßen erwischt hat."
Er gibt sich als unangepasster Rebell, ähnlich irgendwelchen "Business-Punks" oder anderen Schneeballsystem-Fans, aber feiert dann ein Spekulationsobjekt, an dem autoritäre Herrscher und rechte Milliardäre verdienen. Dafür bringt er selbst zwei Beispiele: In El Salvador wird der Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel akzeptiert, jubelt Mangold. So sieht wohl echte Freiheit aus. Schade nur, dass die Salvadorianer*innen, die zu tausenden unrechtmäßig eingesperrt werden, weil der Präsident immer autoritärer wird, davon nur so wenig mitbekommen. Ein anderes Mangold-Vorbild verrät ebenfalls einiges: So hätte der Milliardär Michael J. Saylor Bitcoin in sein Geschäft integriert. Der ist nicht nur mehr als klischeehafter Investor, sondern auch Corona-Leugner und hat damit mutmaßlich seine Arbeiter*innen gefährdet (also über das kapitalistische Normalmaß hinaus). Wenn wir jetzt bedenken, dass Mangold diese beiden Leute offensichtlich für Genies und den Bitcoin für einen universalen Lösungsweg hält, verrät uns das noch einiges mehr. Dagegen wirken die christlichen Hoffnungen von Mangold, die er auf den Bitcoin bezieht, eher amüsant.
Aber das Problem liegt noch tiefer: Denn während Mangold sich mit seinen Milliardärs-Vorbildern als rebellierender "Ästhetizist" sieht, schafft die Zusammenstellung des Podiums eine "Matrix", in der Mangold wirklich die Rebellion verkörpert. Richtig wäre es gewesen, Bitcoiner*innen Menschen entgegenzustellen, die darauf hinweisen, dass die gesamte Ideologie und Funktionsweise hinter Bitcoin nur dazu dient, die Eigentumsrechte von Superreichen zu schützen (bzw. diese zu vermehren). Aber natürlich hat die LHG einen ganz "normalen" (d.h. wahrscheinlich neoliberalen) Ökonomen eingeladen, der die Zentralbanken verteidigen darf, die von den Bitcoiner*innen nicht selten aus einem antisemitischen Ressentiment heraus abgelehnt werden. Reint E. Gropp ist Professor am IWH in Halle und hat zum Beispiel zurecht darauf hingewiesen, dass sich vor Kommunalwahlen die Kredite von Sparkassen für kommunale Projekte häufen. Die Kritik an dieser Praxis, die auch in Halle immer wieder zu ziemlich sinnlosen Aktionen führt, ist berechtigt. Aber sein Gegenvorschlag, die Leitungsstrukturen der Sparkasse zu verbessern, vergrößert den Schaden nur und zeigt wie ideologisch der Neoliberalismus ist. Statt endlich zu erkennen, dass das Grundproblem doch darin besteht, dass sich demokratische Vertreter*innen bzw. Kommunen ohne Sparkasse eben gar kein Projekt leisten können und dann lieber ein schlechtes Projekt mit der Sparkasse bzw. ein "Public-Private Partnership"-Projekt machen, als gar keine Sporthalle zu haben.
Die Verbesserung der Leitungsstrukturen, die solche "politischen Kredite" erkennen und verhindern sollen, sorgt nur dafür, dass in der Einöde nichts Sinnloses entsteht - sondern es eine Einöde bleibt. Damit ist nicht nur nichts gewonnen, es ist in Teilen auch schlechter. Letztlich bleibt festzuhalten, dass weder Reint E. Gropp noch Ijoma Mangold für irgendein wirtschaftspolitisches Problem eine Lösung haben. Gropps Aufgabe, die hegemoniale Stellung der neoliberalen Wirtschaftswissenschaften gegen Mangold zu verteidigen, ist sicher nicht beneidenswert – wurden die Bitcoiner*innen doch von genau der Begeisterung für technische Lösung und dem Primat der Eigentumsrechte über jedem anderen geschaffen, welches den Neoliberalismus auszeichnet. Das kann nicht gut gehen, weshalb der Bitcoin auch (hoffentlich) die letzte Verfallserscheinung des Neoliberalismus darstellt.
Wir raten der LHG also dringend: Werdet bloß keine Cryptobros, es ist schon schlimm genug!


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