Uwe Steimle und der Rechtsruck – oder: Warum sind Carmen und Robert stabiler als das Steintor?
Der gesellschaftliche Rechtsruck hat viele Facetten: Regelmäßige Nazi-Aufmärsche, die kaum noch Gegenprotest evozieren, der Aufstieg der AfD, das Anbiedern des konservativen und liberalen Bürgertums an Faschist*innen, das Versagen von Justiz und Behörden und die ablehnende Diskussion über grundlegende Menschenrechte (zuletzt gerne aufgegriffen vom “Ampel-Fortschrittskanzler” Scholz), die immer stärker unter der Rubrik angeblich berechtigter Einwände geführt wird. Kurzum: Der Rechtsruck ist, wenn verrohte Leute, die an den „Großen Austausch“ oder Ähnliches glauben, von ihren Kolleg*innen weiterhin herzlich willkommen geheißen werden, auf großen Bühnen auftreten, in großen Zeitungen schreiben und vorm Parlament sprechen können, damit reich werden und den Rest vor sich her treiben bzw. ihn zur Übernahme der eigenen Positionen bringen – Meinungsfreiheit und so!
Gerade in der Kulturbranche macht man da gerne mit: Klar, es geht um Geld. Aber wenn sich jemand über Menschenfeindlichkeit beschwert, kann man ihn auch einfach als kulturlos bezeichnen. Private Bühnen, die allen voran Geld verdienen wollen, inszenieren sich seit Langem sowieso als Gralshüter*innen der Kunstfreiheit. Und da eh alle miteinander rumhängen, können Xavier Naidoo, der Wendler, Uwe Steimle, Corona-Leugner*innen und Geschichtsrevisionist*innen eben weiterhin überall das erzählen, was sie erzählen wollen.
In Halle sehen wir das beim Auftritt von Uwe Steimle.
Der Rechtsruck findet sich:
1.) in Steimle selbst wieder, denn er propagiert heute extrem rechte Ideologie und ist Teil der extremen Rechten, was er früher bei aller notwendigen Kritik nicht war.
2.) Er findet sich in der direkten Reaktion auf die Forderung nach einer Absage des Auftritts wieder. Die drei Steintor-Geschäftsführer haben erst gar nicht öffentlich auf die Kritik von Halle gegen Rechts reagiert und sind damit im Einklang mit anderen Kulturmanager*innen, etwa dem Betreiber der Händel-Halle. Als der öffentliche Druck größer wurde, hat einer von ihnen, Rudenz Schramm, dann doch Stellung genommen und die Einladung verteidigt. Dabei hat er die extreme Rechte zwar deutlich verurteilt, aber ihren Propagandisten Steimle trotzdem aktiv in Schutz genommen, also einem Rechtsextremen unterstellt, er sei gar nicht extrem rechts. Damit hat das Steintor-Varieté, welches sicher keinen AfD- oder NPD-Parteitag bei sich dulden würde und auch die “Kategorie C” schon vor dem Verbot wohl nicht eingeladen hätte, nicht nur einem Rechtsextremen eine Bühne geboten, sondern ihn auch verteidigt. Das ist bei einem Laden, der sich selbst als antifaschistisch sieht und bei bürgerlichen Protesten gegen die extreme Rechte aktiv war, eine klare Rechtsentwicklung.
Und 3.) findet sich der Rechtsruck in der indirekten Reaktion darauf wieder. Damit meinen wir zum einen diejenigen, die von der Seitenlinie aus ihren Profit daraus ziehen wollen. Das ist erwartbarerweise die Bewegung Halle, die ohnehin extrem rechts ist und begeistert ins Steintor-Varieté strömt. Aber es ist z.B. auch die CDU-Stadtratsfraktion, die das BgR in einem Amtsblatt-Artikel ernsthaft mit der Diktatur vor und nach 1945 gleichgesetzt hat, die Kritik an Rudenz Schramm nach seinem BgR-Ausschluss also mit den NS-Verbrechen vergleicht und die Diskussion dafür nutzt, gegen Antifaschismus zu hetzen und die Kumpanei mit der faschistischen AfD weiter voranzutreiben – ohne, dass sich jemand darüber aufgeregt hätte.
Zum anderen meinen wir damit aber auch die indirekte Reaktion in der Stadtratsfraktion der LINKEN, deren (parteiloses) Mitglied Rudenz Schramm ist und was auch dafür gesorgt hat, dass das ganze Thema noch ein wenig mehr herumging als zu erwarten gewesen wäre. Denn Rudenz Schramm hat sich gegen explizite Parteibeschlüsse effektiv vor Uwe Steimle gestellt, während die Stadtratsfraktion indirekt der Verteidigung Steimles dadurch gefolgt ist, dass sie Rudenz Schramm verteidigt hat. Denn während letzterer den Auftritt von Steimle dadurch rechtfertigte, dass Uwe Steimle schon schwierig (was ja jede*r konzediert), aber eben nicht rechtsextrem, antisemitisch oder rassistisch sei, rechtfertigte die Fraktion sich selbst, in dem sie ihr Mitglied gegen den Vorwurf verteidigte, einen Rechtsextremen eingeladen zu haben. Damit haben beide Seiten Steimle in der Lokalpresse implizit vom Vorwurf freigesprochen, Faschist zu sein. Er sei eben problematisch, aber eben nicht so problematisch, dass er auf keinen Fall auftreten dürfe. Wo die Grenze liegen soll oder welche Definition verwendet wird, bleibt unbekannt. Das ist so binnenlogisch wie falsch und folgt einfach dem Credo, dass der Auftritt nicht übermäßig problematisch sein darf. Das Problem dabei ist, dass Steimle selbst überhaupt kein Problem damit zu haben scheint, Faschist zu sein - sonst würde er nicht entsprechend agitieren.
Hier zeigt sich der Rechtsruck darin, dass verschiedene Akteur*innen sich nicht so extremen Rechten abgrenzen, wie es dringend notwendig ist, wenn diese extreme Rechte einfach nah genug dran ist. Das bedeutet nicht, dass sie selber rechts wären oder das inhaltlich unterstützen würden, aber während die CDU ihrem Hass auf Antifaschist*innen freien Lauf lässt, wird der angestrebte antifaschistische Grundkonsens entkernt und durch die Frage ersetzt, wie schlimm es schon sein kann, wenn die extreme Rechte erst einmal auf großer Bühne auftritt. Damit setzt man sich von einem linken Antifaschismus ab, der seine Kritik an den geäußerten Inhalten festmacht und nicht am Publikum bzw. am Austragungsort.
Das es anders geht, zeigen ausgerechnet die Trash-TV-Berühmtheiten Robert und Carmen Geiss, die durch die Drohung ihres eigenen Rücktritts eine Doku des Reichsbürgers und Impfgegners Michael Wendler auf ihrem Haussender „RTL II“ verhindert haben. Das haben sie geschafft, ganz ohne sich von Warnungen vor dem angeblichen Ende von Meinungs- und Kunstfreiheit abhalten zu lassen. Sie sind nicht links, wahrscheinlich keine (besonders überzeugten) Antifaschist*innen und nicht in irgendeiner Position, die von ihnen die Inszenierung einer besonders verantwortungsvollen, kulturellen oder demokratischen Rolle verlangt. Aber trotzdem hat es hier geklappt, während andere versagen, die stabil sein müssten.
Als SDS fordern wir klaren Widerstand gegen den Rechtsruck von allen, die in irgendeiner Form mit der LINKEN in Verbindung stehen (wollen). Das gilt natürlich auch für Kommunalpolitiker*innen. Unsere Schlussfolgerungen daraus bleiben dieselben wie vor einigen Monaten: Antifaschismus muss Grundlage sein (hier geht es zum Text: http://sdsmlu.blogspot.com/2023/02/kultureinrichtung-steimletor.html), dazu gibt es für uns keine Alternative. Wir stellen uns daher weiterhin hinter das Bündnis gegen Rechts und unterstützen den Protest gegen das Steintor-Varieté, den gesellschaftlichen Rechtsruck und die Verhältnisse, die ihn möglich machen.
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