Smart Home Neustadt

Halles „Stadtbezirk West“ hat ein neues Wohnquartier – oder besser noch: einen Wohncampus. Den hat nämlich eine Erfurter Immobilienfirma dort hinsetzen lassen und schreibt die nun fertigen Wohnungen jetzt zur Vermietung aus (1). Man bewirbt „traumhaftes, modernes und exklusives Wohnen im Wohncampus“, also konkret Fußbodenheizung, Smart-Home-Vorrichtungen, Designboden, Tiefgarage, Penthouse und Dachterrassen. Und man wirbt mit der Umgebung: Saalestrand und Peißnitz, Pferderennbahn und Universitätsklinik. Das hat dann auch seinen Preis, der bei Mietkosten von gut 14,60 Euro warm und fast 12,00 Euro kalt pro Quadratmeter und Monat liegt. Zum Vergleich: Der aktuelle Mietspiegel, der ja sowieso zu Verteuerungen führt, liegt für das Gebiet eher bei 6,00 Euro.
Aber um welches Gebiet geht es überhaupt?

Hallenser*innen wissen, dass der Stadtbezirk West v.a. aus der Neustadt besteht – interessierte Mieter*innen erfahren das bei den Wohnpyramiden nur durch die Adresse, denn von der Neustadt ist in der Lagebeschreibung nicht die Rede. Möglicherweise will man niemandem abschrecken. Denn das luxuriöse Wohnen findet an einem Ort statt, an dem sehr viele Menschen eben keine 14 Euro/qm zahlen können und stark ausgebeutet werden (2). Während die Wohnpyramiden die nördliche Neustadt zieren sollen, werden in der südlichen Neustadt bewohnte Blöcke von Immobilienkonzernen dem Verfall überlassen. Der Stadtteil ist arm und segregiert, d.h. arme Menschen werden aktiv aus der Innenstadt verdrängt und müssen nach Neustadt ziehen.

Das sollte aber nicht dazu verleiten, jetzt davon auszugehen, dass die Wohnpyramiden eine Form von Durchmischung darstellen würden. Vielmehr gibt es in allen Städten krasse Gegensätze zwischen armen und reichen Wohngegenden, die auch direkt nebeneinander liegen können. Das führt dann nicht zu einer Durchmischung, sondern eher zu der Bildung von „gated communities“ – entweder durch konkrete Abgrenzung oder, wie hierzulande eher üblich, durch räumliche Maßnahmen: Die Mieter*innen sollen mit ihrem modernen Auto oder Bollerwagen Einkaufen fahren und sich ansonsten Richtung Saale und Innenstadt orientieren und bloß nicht nach Westen schauen. Quartierspielplatz, Kiez-Café und Coworking-Space sorgen für das, was man vor Ort unbedingt braucht (oder auch nicht).

Letztlich ist es also überhaupt nichts Positives, wenn auch reiche Leute mal westlich der Saale wohnen. Vielmehr treiben diese Preise den Mietspiegel nach oben und sorgen für eine allgemeine Verteuerung. Bereits jetzt ist für die „guten Lagen“ im lokalen Spiegel für die Nördliche Neustadt sichtbar, wie stark die Auswirkungen sind und sein werden: 2024 hat der Mietspiegel dort um ganze 60 Prozent zugelegt (3). Die Fläche, die für die Wohnpyramiden verwendet wird, kann nicht für soziales Bauen wie Wohnheime verwendet werden, denn sie steht nur einmal zur Verfügung. Und das Problem ist ja sowieso, dass man Bereiche aufwerten kann, wie man will, wenn das nicht mit höheren Löhnen, Sozialleistungen und Renten einhergeht, bedeutet das Verdrängung – dann halt in Richtung der Südstadt/Silberhöhe.

Städtebaulich sind die Pyramiden kein Fortschritt. Die horrenden Mieten bereichern die Stadt nicht, sondern schaden ihr langfristig. Es zeigt sich wieder einmal, dass es der Markt eben nicht regelt. Er macht dann ärmere Gegenden nutzbar, wenn es den entsprechenden Profit gibt. Eine langfristig vernünftige Stadtplanung kann es deshalb nur im Sozialismus geben.

Verweise:
(1) https://www.immobilienscout24.de/expose/149415906?referrer=RESULT_LIST_LISTING&searchId=14d06d09-c572-3ae0-8662-d90a6d0d32df&searchType=radius#/
(2) https://www.mz.de/lokal/halle-saale/mietspiegel-halle-mietpreise-wohnungsmarkt-mieterhoehungen-wohnungsgesellschaft-gwg-hwg-3743405
(3) https://www.immoportal.com/mietspiegel/halle-saale/noerdliche-neustadt


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