Treitschke, CDU, VDSt - antisemitische deutsche Tradition

In Berlin gibt es einen Namensstreit um eine Straße, die nach dem Historiker Heinrich von Treitschke (1834-1896) benannt ist. In zahlreichen Städten wurden die entsprechenden Straßen bereits umbenannt, aber in Berlin wehrt sich die CDU dagegen. Dabei geht es ihr hier (ähnlich bei der Abzweigung des Unirings, der zum Glück in Amo-Straße umbenannt wurde) natürlich um "bürokratische Hürden", aber sie verteidigt Treitschke auch. Das ist skandalös - und auch in Halle relevant, denn mit dem VDSt Halle-Wittenberg existiert hier ein Erbe Treitschkes, welches immer noch nicht auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet ist.

Heinrich von Treitschke war ein Historiker an der heutige Humboldt-Universität zu Berlin und Protagonist im "Antisemitismus-Streit" in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dabei ging es um die Frage der Gleichberechtigung jüdischer Menschen. Um genau zu sein, wollten Treitschke und einige anderen Professoren und Verbindungsstudenten die damals vor einigen Jahrzehnten erlangte bürgerliche Gleichheit nicht akzeptieren. Sie forderten den Ausschluss von jüdischen Personen insbesondere von den Universitäten und wollten diese entrechten. Dabei kombinierten sie Verschwörungsideologien über die "Jüdische Macht" mit rassistischen Positionen. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, ist damals auch der Verband der Vereine Deutscher Studenten (VVBSt) entstanden, der v.a. Unterschriften für die "Antisemitenpetition" gesammelt hat - in Halle entstand zu diesem Zeitpunkt der noch heute bestehende VDSt Halle-Wittenberg.

Trotzdem - oder gerade deshalb - gilt Treitschke als bedeutender deutscher Historiker und Straßen sind nach ihm benannt. In Berlin wehrt sich die CDU gerade gegen die Umbenennung, die vor allem mit dem Treitschke Satz "Die Juden sind unser Unglück" begründet wird. Die CDU-Verantwortlichen werfen dagegen aber nicht nur zynische Argumente bzgl. der Bürokratie in den Ring, sondern wollen Treitschke auch verteidigen. So schreibt eine CDU-Politkerin wörtlich an die Bürger*innen: "Auch wenn seine [Treitschkes, Anm.] Ansichten und seine Rolle in der Geschichte umstritten sind, stellt die Benennung dieser Straße ein historisches Dokument dar, das die Entwicklung unserer Stadt widerspiegelt."

Der Satz "Die Juden sind unser Unglück" ist für die CDU also "umstritten", weil der klar antisemitische Professor ihn u.a. in seiner Schrift "Ein Wort über unser Judenthum" (1880) als Zitat der Bevölkerung bzw. der Mehrheit in den Mund gelegt hat. Wie heutige antisemitische und rassistische Hetzer*innen hat Treitschke schon damals behauptet, dass die antisemitische Aussage einfach nur Ausdruck der allgemeinen Stimmung der Menschen gewesen wäre, was von der "pro-jüdischen" Presse und Politik allerdings unterdrückt worden sei. Außerdem hätte er, so die weitere Verteidigung einiger Konservativer, doch nicht vor allem die integrierten jüdischen Deutschen gemeint, sondern vor allem die eingewanderten "Ost-Juden" - als wäre einwanderungsfeindlicher Antisemitismus nicht auch Antisemitismus, als würden Diskriminierung und Hass in dem Fall nicht erwiesenermaßen zusammenhängen und als die NSDAP nicht Jahrzehnte später die demagogische Kombination dieser Aspekte von "Überfremdung" und "Verschwörung" für ihr Vernichtungsprogramm kombiniert.

Die Tatsache ist, dass Treitschke wie ein aktueller Faschist klingt, der einen offenen Antisemitismus predigt und gerade an den Hochschulen zu agitieren versucht. Wenn die CDU das verteidigt, dann verteidigt sie auch die Nähe eines rechten Konservatismus zu antisemitischen deutschen Professoren, die einfach nur mal erklären wollen, was das "Volk" so denkt.

Wer sich in diese Tradition stellt, wer die antisemitische Elite des Kaiserreichs verharmlost, wer sich heute noch beim VDSt organisiert oder wie die CDU diese Tradition verteidigt, beteiligt sich aktiv am Rechtsruck und verschafft den Treitschkes von heute ihren Resonzraum.

Aus jeder demokratischen und emanzipatorischen Perspektive gilt deshalb: Treitschke-Straßen und ihre Verteidiger*innen abschaffen!


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kipping: Grundeinkommen schafft keine "Insel der Glückseligen"

Das war’s? Godenrath, das Ende des demokratischen Konservatismus und die Rettung der kommunalen Demokratie

Vermietnomaden enteignen