Und, diesen Monat schon auf einer Anti-Nazidemo gewesen?

(fs/sw) Neonazistische Kräfte rufen immer häufiger und in kürzeren Abständen zu lokalen Demos auf, um die antifaschistischen Kräfte zu zersplittern (oder gar nur zu fotografieren?!). Sei es in Braunschweig, Dresden, Gießen, Merseburg oder fast innerhalb eines Monats zwei Mal in Berlin. Immer wieder melden
bekannte Größen unter kruden Mottos Demos an und teilweise, wie in Berlin, erfahren die AntifaschistInnen erst kurz vor dem eigentlichen Demo-Termin davon, womit die Zeit der Mobilisierung erheblich verkürzt ist. Trotzdem können die Demos immer wieder behindert oder durch Blockaden verkürzt werden (so bspw. in Merseburg oder Berlin). Bei diesen Nazi-Demos raufen sich immer wieder Freie Kameradschaften, Autonome NationalistInnen und NPD zusammen und Udo Voigt lässt es sich nicht nehmen vor 36 Neonazis in Berlin (17.06.) zu sprechen. Doch nicht nur durch deren Präsenz ist ein Rechtsruck vernehmbar, sondern auch Burschenschaften biegen immer wieder ins rechtsextreme Fahrwasser ab.
Dass viele Burschenschaften die Schnittstelle zwischen rechtskonservativen und offen nationalsozialistischen Kräften bilden, ist nichts neues, aber was sich eine Burschenschaft aus Bonn mit dem eindrucksvollen Namen „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ beim Deutschen Burschenschaftstag (DB) 2011 in Eisenach leistete, war selbst den Mainstream-Medien einen Aufreger wert. So wurde von eben besagter Burschenschaft beantragt einen Burschenschaftler aus Mannheim auszuschließen, weil er der "geschichtlichen Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes" nicht angehöre (seine Eltern kamen aus Hongkong nach Deutschland). Da ihrer Ansicht nach sowieso „Zeiten fortschreitender Überfremdung“ angebrochen sind, könne es nicht hingenommen werden, wenn „ Menschen, welche nicht von deutschem Stamme sind, in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen werden.“ Rassistischer und perverser geht es kaum!
Dass die besagte Burschenschaft einen Tag vor der Abstimmung des Antrags diesen zurückzog, ändert nichts an der Tatsache. Sie zeigt vielmehr, dass hier versucht wurde, einen erheblichen Rechtsruck zu vollziehen. Wie berichtet wird, stand die DB wohl gar kurz vor der Spaltung. Dass das aber dann doch nicht zur Spaltung geführt hat, zeigt wie „demokratieverbunden“ diese sind. So in etwa wie der FPÖ-Chef Strache, Bild-Chefredakteur Diekmann oder Ex-US-Präsident und Skull and Bones-Mitglied George W. Bush. Eine Hotline für Aussteiger aus der Burschenschafts- und Verbindungsszene, wie sie vom AstA der Uni Göttingen oder dem StuRa der Uni Leipzig geschaffen wurde, lassen dabei aufhorchen. Verwundern aber nicht, wie schon Jörg Kronauer bei einer Veranstaltung im Oktober 2010 des SDS.MLU betonte, da der Ausstieg aus dem Lebensbund-Prinzip sehr schwer sei.
Weiterhin gab es in Leipzig einen Vorfall, der zweifelsohne, außer von der Polizei und Staatsanwaltschaft, als rechtsextrem eingestuft werden kann. So wurde ein 19-Jähriger der im Irak geboren wurde, von zwei Personen angegriffen und schließlich mit einem Messer im Rippenbereich attackiert; dieser Verletzung erlag er schließlich. Bei den kurz darauf Festgenommenen wurden nicht nur eindeutige Tätowierungen gesehen (SS-Runen, Hakenkreuz), sondern beim Hauptangeklagten auch die NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ und ein Buch mit dem Cover-Schriftzug „Skinheads of the Racial Holy War" gefunden. Doch in der Anklage der Staatsanwaltschaft findet sich der Verweis auf eine ausländerfeindliche Tat nicht mehr. Auch die Anklage wegen gemeinschaftlichem Mord, die anfangs bestand, ist jetzt eine Anklage wegen Totschlag, weil die Staatsanwaltschaft den alkoholisierten Zustand der beiden als zentraler erachtet als die Nazi-Tätowierungen und Funde in der Wohnung. Der nun folgende Prozessauftakt wird zeigen, inwiefern die Staatsanwaltschaft versucht, diese rechtsextreme und fremdenfeindliche Tat kleinzureden.
Aber statt mit Demonstrationen, Aktionen und Aufklärung gegen das rassistische Gedankengut in der Gesellschaft vorzugehen, zwingen uns die Rechten (NPD, Burschenschaften, Freie Kräfte) ein ständiges Reagieren auf. Die Wochenenden häufen sich, an denen AntifaschistInnen einander zu Gegendemos aufrufen und ihre Erfolge darüber feiern, den nächsten Aufmarsch blockiert zu haben. Aber macht das eigentlich noch Sinn? Überlassen wir den Nazis damit nicht eine Bühne, die eigentlich für linke Workshops, Seminare und Projekte sein sollte? Sollten wir nicht wieder die sein, die agieren und eine Öffentlichkeit erzeugen, als ständig zu reagieren? Berichte darüber, dass sich Burschenschaften als rechtsextrem outen, dass die SPD rassistische Mitglieder nicht hinaus schmeißt und dass fremdenfeindliche Übergriffe bagatellisiert werden, lösen zwar im ersten Moment einen Aufschrei aus, aber verebben fast genauso schnell wieder. Stattdessen ist es bitter, dass die Rechtsextremen in letzter Zeit scheinbar den längeren Atem beweisen. Eine Demo nach der anderen wird angemeldet und das selbst wenn die Erfolge, wie zuletzt am 17. Juni in Berlin, ausbleiben.
Aber Moment!
Sind die Erfolge immer nur dann zu sehen wenn möglichst viele Menschen, zu welchem Thema auch immer, auf die Straße gezogen werden und mensch die angemeldete Route laufen kann? Ein Erfolg für die Nazis ist definitiv, dass sie es schaffen, dass sich AntifaschistInnen jedes Wochenende nur in Gegendemos aufreiben. Es kann doch keine Dauerlösung sein, dass sich jeden Monat ein neues Bündnis gegen Rechts in irgendeiner Stadt gründet, was sich an einem Wochenende für eine „bunte“ Stadt einsetzt, um dann wieder in der Versenkung zu verschwinden, statt nachhaltig auch gegen den alltäglichen Rassismus, z. B. im Umgang mit MigrantInnen, zu kämpfen. Es braucht eine kritische Öffentlichkeit, die Anti-Nazidemos nicht wie große Events begeht, sondern sich permanent mit dem Rechtsruck auseinandersetzt und langfristig Kritik an Sarrazin, Burschenschaften und Co. übt.
Hier soll keineswegs dazu aufgerufen werden, nicht mehr gegen die braune Propaganda zu demonstrieren, aber langfristig stellt das bloße Reagieren keine Lösung dar. Vielmehr müssen gesellschaftliche Ursachen aufgedeckt werden, die dem rechten Lager zuspielen. Es darf nicht mehr länger zugesehen werden, wenn Menschen ihr Recht auf Partizipation verwehrt wird, weil sie nicht hier geboren sind oder dass Flüchtlinge in der sogenannten Leistungsgesellschaft der EU keinen Platz finden. Es darf nicht hingenommen werden, dass rassistische Äußerungen mit einem „Endlich traut sich jemand mal die Wahrheit zu sagen“ bewundert werden. Stattdessen muss kritisiert werden, dass vermeintlich demokratische Burschenschaften mit rassistischen in einem Verbund verbleiben und dass noch immer viel zu viele rechtsextreme Übergriffe als solche nicht benannt werden.

 
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