Offener Brief II
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Varwick,
mit einer Antwort voller pauschalisierender Kritik und Euphemismen haben
wir gerechnet. Krieg als politisches Mittel mag früher eine legitime Option
gewesen sein, ist heutzutage jedoch stark begründungsbedürftig. Das wissen Sie.
Daher sprechen Sie von einer „Kultur des Engagements“ und „Verantwortung“,
anstatt die Sachen beim Namen zu nennen: Krieg, die Aufrechterhaltung der
internationalen Ordnung zur Sicherung nationalstaatlicher Interessen, seien es
politischer oder primär ökonomischer Art.
Aber jetzt zur Replik. Sie kritisieren erstens, dass bei Ihnen
inhaltliche Positionen mit Namen versehen sind, an die man sich wenden kann,
wir uns jedoch hinter einer Gruppe verstecken würden. Was sie nicht erwähnen,
sind die Machthierarchien und -abhängigkeiten die zwischen uns und Ihnen
bestehen. Wir sind alle Studierende, die teilweise auch bei Ihnen Politikwissenschaft
studieren. Die Angst vor Nachteilen und Bloßstellung ist keine imaginäre. Auch
Ihr Hinweis darauf, dass Sie genügend Raum für kritische Fragen bieten, der
durchaus genutzt wurde, verkennt, dass es eben ein Unterschied ist, ob in den
letzten zehn Minuten einer Vorlesung etwas erwidert werden kann oder man als
Professor eine Vorlesung vor mehreren hundert Studierenden hält und das jede Woche.
Sie behaupten als zweites, dass Ihre privaten parteipolitischen
Positionen nicht die geringste Rolle in ihrer akademischen Lehre spielen
würden. „Ich hingegen bin Wissenschaftlicher“, schleudern Sie uns mit
Verachtung entgegen. Ihre Vita als Folie für ihre Lehre beweist zudem das
genaue Gegenteil. Die Bezüge zur Bundeswehr und militaristischen Organisationen
haben wir bereits im ersten offenen Brief aufgeführt. Die Zeitschrift, in der
Sie publiziert und dabei für eine „Kultur des Engagements“ geworben haben,
bezeichnen Sie euphemistisch als „sicherheitspolitisches Fachmedium“. Das
Magazin selbst nennt sich führende Monatszeitschrift für Sicherheitspolitik und
Wehrtechnik.
In dieser Zeitschrift werden Waffen beworben. Deutschland ist der
drittgrößte Waffenexporteur weltweit (2013: Exporte im Wert von 5,8 Mrd. Euro)
und liefert auch in Länder, in denen internationale Menschenrechtsstandards
nicht eingehalten werden, in Bürgerkriegs- und Krisengebiete. Angesichts der
friedenspolitischen Risiken ist eine politische Kontrolle und Einhegung des
globalen Waffenhandels notwendig. An dieser Stelle sei William Booth zitiert:
"Waffen gegen den Krieg, ist wie Schnaps gegen Alkoholismus". Waffen
bringen keinen Frieden, das ist keine „linke Propaganda“, sondern empirisch
nachweisbar. Genannt seien die Kriege im Irak und Afghanistan, die zu keinerlei
Besserung der politischen und sozialen Lage in den Ländern geführt haben. Die
entscheidende Frage sollte viel eher lauten: Welcher Krieg hat bewiesen, dass
es "richtig" war, ihn zu führen? Hier verstummen die AkteurInnen, die
für eine "Kultur des Engagements" plädieren.
Ihre Lehre ist nicht ausgeglichen. Wenn Sie in einer Vorlesung über
Außenpolitik, in der Sie den Inhalt ihres Beitrags für das Wehrmagazin
referierten - so viel zur wissenschaftlichen Distanz - keinen Einsatz der
deutschen Bundeswehr erwähnen, sondern nur für "mehr (militärische)
Verantwortung“ plädieren, ist das nicht ausgeglichen. Entwicklungspolitik als
Mittel der Außenpolitik sucht man in ihren Vorlesungen hingegen vergebens. Auch
die Auswahl der Übungstexte zeigt ihre politisch einseitige Lehre. Warum muss
es gerade ein Text sein, der ohne die von Ihnen verwendeten Euphemismen für
mehr militärische Beteiligung der Bundeswehr plädiert? Den Sinn der Anwendung
einer theoretischen Denkschule als Übungsaufgabe hätte durchaus anders und mit
mehr wissenschaftlicher Distanz erfüllt werden können. Eine ausgeglichene Lehre
der Internationalen Beziehungen sollte verschiedene Perspektiven gleich
gewichten.
Nun mögen Sie sich bisher sicherlich eine Menge geärgert haben und
vermutlich fragen Sie sich auch schon gar nicht mehr, was jenes mit einer
angeblichen Militarisierung des Lehrstuhls zu tun haben soll. Wir wollen es
Ihnen trotzdem noch mit auf den Weg geben: Sie formen durch den Inhalt Ihrer
Vorlesungen Normen, Werte und Ideen und verfügen dabei durch Ihre Position über
eine Diskurshoheit, die von Studierenden kaum in Frage gestellt werden kann.
Mehrere hundert Studierende sind jährlich dazu verpflichtet, sich ihre
Vorlesungen anzuhören und müssen den Inhalt aufgrund immer weniger Zeit im
Bachelor- und Master-System oft einfach hinnehmen und für Prüfungen stur
auswendig lernen. Wir unterstellen unseren KommilitonInnen nicht, dass sie
nicht selbst reflektieren könnten, sondern ob dafür die Zeit vorhanden ist.
Durch eine plurale Darstellung des Lehrinhalts in der Vorlesung, wie es der
Beutelsbacher Konsens vorsieht, würden Sie eine reflektierte und kritische
Reflexion fördern, die Sie sich bei Ihren Studierenden so sehr wünschen. Sie
betreiben durch ihre derzeitige Lehre eine Militarisierung der Köpfe, wodurch
Krieg und Militär als legitime Mittel für die Vertretung staatlicher Interessen
erscheinen.
Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!
Mit antimilitaristischen Grüßen
SDS.Die Linke MLU
Sehr schön, gebt ihm ordentlich paroli, unserem liberalen "Lieblings"-Prof. Wird sein Selbstbewusstsein wahrscheinlich kaum ankratzen, kostet ihm aber Zeit, Nerven und einen kurzfristig hohen Blutdruck.
AntwortenLöschenHerr Varwick lässt nichts aus. Nun berät er unsere Kriegsministerin von der Leyen bei der Erstellung eines neuen Weißbuches, also der neuen Strategieschrift für unsere Bundeswehr: http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/NYw9D4JAEET_0S5EEz86kcbWaAS741hhA9xdluVo_PEehTPJFO8lg29MdSZyZ5S9MyNWWFs-Nys0U-xgJZ7nZrE9BJI50KAcyUEwoi4B25uPksPXdtMSWO9It01QOW0nRr1A8KLjZhaRZIBbrLO8LLI8-yf_nh7P67Ha7Q_lrbhjmKbLD_oXCE4!/
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