Offener Brief - Gegen die Militarisierung des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen und europäische Politik


Liebe KommilitonInnen, VertreterInnen und Angehörige der Martin-Luther-Universität,

dieser offene Brief wendet sich gegen die Lehre des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen und europäische Politik. Mit der Berufung von Prof. Dr. Johannes Varwick im März 2013 ist der besagte Lehrstuhl in seiner inhaltlichen Ausrichtung nach rechts gerückt. 

Im Wintersemester 2012/2013 organisierte Varwick eine Ringvorlesung, die einzig durch die Friedrich-Naumann-Stiftung – seiner damaligen Promotionsstiftung (1996-1998) - unterstützt wurde. Zu Beginn der Ringvorlesung sollten die Studierenden Vorlesungsmappen erwerben, die Materialien beinhalteten und durch Symbole etc. der Friedrich-Naumann-Stiftung gekennzeichnet waren. Die Freiheit der Wissenschaft wird hier untergraben. Für sein erstes Lehrsemester holte sich Varwick jemanden von der Bundeswehr als Gastdozenten an die Universität. Dr. phil. Ulf von Krause, Generalleutnant a.D., dozierte zur Rolle der Bundeswehr im Kontext deutscher Sicherheitspolitik.

Abgesehen davon, dass Funktionäre des Militärs im Besonderen und die Bundeswehr im Allgemeinen an Bildungseinrichtungen nichts verloren haben, ist es nicht überraschend, dass Varwick Ulf von Krause eingeladen hat. Varwick war selbst von 2000-2003 Assistant Professor am Institut für Internationale Politik der Bundeswehr Uni Hamburg (Helmut-Schmidt-Universität). Des Weiteren ist er bis heute Mitglied des Arbeitskreises Sozialwissenschaften und Militär, welcher am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam angesiedelt ist. Die Jahrestagung des Arbeitskreises 2013 fand unter dem Titel „Eine Bundeswehr – viele Baustellen: Von der kalten zur heißen Organisation“ statt.

Varwicks vermeintliche inhaltliche Objektivität ist lediglich ein Traumschloss, welches er den Studierenden gerne vorhält. In seiner Vorlesung zur „Neuen deutschen Außenpolitik“ im Sommersemester 2014 argumentierte Varwick für eine „Kultur des Engagements“, wie er es euphemistisch bezeichnet und fordert damit nicht weniger als Einsätze der Bundeswehr im Ausland. Während der gesamten Vorlesung hat er weder den Kosovokrieg, Irakkrieg noch den  Afghanistankrieg erwähnt. Er verbreitete dadurch den Eindruck, dass die BRD seit 1945 an dem Grundsatz nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg festgehalten habe und sich nun endlich seiner internationalen Verantwortung bewusst werden sollte.  Anstatt vergangene Erfahrungen mit Interventionen im Ausland zu diskutieren, werden in erster Linie Thesen in den Raum gestellt, die oft nicht hinterfragt werden. Es verfestigt sich der Eindruck, dass Varwick das Prinzip von Forschung und Lehre uminterpretiert zu haben scheint. Er betreibt viel mehr Politik und lässt sich dabei vor den Karren der Rüstungsindustrie spannen.

Den Inhalt dieser Vorlesung hat Varwick im Juni 2014 in der Zeitschrift Europäische Sicherheit und Technik veröffentlicht, die sich selbst als führende Monatszeitschrift für Sicherheitspolitik und Wehrtechnik bezeichnet und in der Rheinmetall und RUAG ganz offen für Waffen werben. Varwicks Text wird gesäumt von Kampfjets und Maschinengewehren.   

In einer Übung zur Vorlesung wurde der Kommentar aus der Welt „Deutsche, ihr müsst wieder Abschreckung lernen!“ diskutiert, ohne auch nur einmal darauf hinzuweisen, dass ein Kommentar in der Welt wissenschaftliche fragwürdig ist. Ein Zitat soll hier exemplarisch stehen: „Aber weitaus wichtiger ist, dass Europa die Nato wiedererstarken lässt, damit diese ihre Truppen an die östlichen Grenzen stellt, um Putin davor abzuhalten, nach der Ukraine auch noch das Baltikum, Polen, Rumänien und andere Länder zu destabilisieren. Alle europäischen Institutionen haben Deutschland in den letzten 60 Jahren Frieden und außergewöhnlichen Wohlstand gebracht. Will Deutschland dies alles verteidigen, braucht es nun doch mehr als nur Diplomatie“.

Aufgrund der einseitigen Lehre im Bereich der Internationalen Beziehungen und europäischen Politik werden wir als SDS Hochschulgruppe an der Martin-Luther-Universität im kommenden Wintersemester einige Veranstaltungen zum Thema Außenpolitik, Krieg und Frieden, sowie
(Neo-)Imperialismus organisieren, um einer differenzierten und kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema gerecht zu werden.



Wir fordern daher:   
  • eine schriftliche Stellungnahme des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen und europäische Politik
  •  eine schriftliche Stellungnahme des Fakultätsrats der Philosophischen Fakultät I zu den genannten Aktivitäten und Mitgliedschaften Varwicks
  • eine schriftliche Stellungnahme des Senats zu den genannten Aktivitäten und Mitgliedschaften Varwicks 
  • eine wissenschaftlich ausgeglichene Lehre, in der die Bundeswehr und andere Formen der Militarisierung der Gesellschaft kritisch hinterfragt werden

Quellen: 

SDS  Hochschulgruppe der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Kommentare

  1. Trotz aller berechtigten Kritik an dem Prof. hier ein kleiner Hinweis zu seiner Tätigkeit an einer der Bundeswehr Universitäten.

    Sämtliche Lehre an den beiden existierenden Bundeswehr Universitäten ist völlig vergleichbar und frei mit derer an "normalen" Universitäten. Einzig und allein die Studierenden sind unterschiedlich.

    Dieses erscheint mir einfach wichtig anzumerken, da es eine ganze Reihe von Wissenschaftler_innen an Bundeswerh Universitäten gibt, die hervoragende (zivile und kritische) Forschung betreiben.

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  2. Die Rot-Grüne Sittenpolizei schlägt wieder zu.

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  3. da haben sich echt leute hingesetzt und stundenlang das internet nach irgendwelchen hinweisen durchforstet, die belegen sollen dass varwick ein ganz schlimmer nazi ist. und als sie dann gemerkt haben, dass es da nix brauchbares gibt, haben sie einfach die paar dürftigen infos genommen, die sie zusammengeklaubt haben und alles getan um es irgendwie nach militarisierung aussehen zu lassen. schließlich ging es ja darum, zu beweisen dass varwick einer von den bösen ist, nicht darum die wahrheit heraus zu finden.

    unlogisch, diffamierend und einfach unheimlich schlechter stil. wem nützt sowas??
    "freiheit ist immer die freiheit der anders denkenden."(luxemburg). ein konservatives weltbild(wie es varwick anscheinend hat), darf nicht vom uni-betrieb ausschließen! varwick gelingt die balance zwischen persönlichen ansichten und lehre durchaus.

    jonas- pw-student an der mlu

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