Fünf Sterne für Halle? Sicher nicht. Anmerkungen zum Zukunftszentrum
Jedes dritte Kind in Halle ist arm, in manchen Stadtteilen ist es fast jede/r zweite Einwohner/in, Renter*innen kommen nicht über die Runden, Studierende fliegen aus ihren überteuerten und gentrifizierten WGs. Wenn man sich mit Wohngeld über Wasser halten will, dann dauert das monatelang, ähnlich sieht es beim Jobcenter oder beim BAFöG aus. Ganz zu schweigen von der Situation in der Ausländerbehörde, die Menschen ohne deutschen Pass betrifft.
Es gibt also viele Gründe, Halle eine qualitative Verbesserung und Perspektiven zu wünschen. Dafür könnte man in Bildung und Wissenschaft investieren, für gute Schulen, eine ausfinanzierte Universität, einen halbwegs fairen Sozialbereich und eine präsente Kinder- und Jugendhilfe streiten. Oder man versucht die Stadtentwicklung nachhaltig und sozial zu gestalten, indem Mieten gesenkt, Viertel gemischt und Stadtteile miteinander verbunden werden. Viele Akteur*innen tun das bereits, aber die systemischen Grundlagen des Elends bleiben stets erhalten und reproduzieren sich.
Aber all das sind Notwendigkeiten, die die parteiübergreifende Freude über das "Zukunftszentrum Deutsche Einheit" eher merkwürdig erscheinen lassen. Denn dieses Zukunftszentrum, welches wahrscheinlich 200 gut ausgebildeten Menschen Arbeit bieten wird, die aufgrund der guten ICE-Anbindung Halle ohnehin verlassen können, löst kein einziges der beschriebenen Probleme. Auch die Aufwertung des Riebeckplatzes, der bautechnisch sicherlich viel Potential nach oben bietet, muss nicht im Sinne der Anwohner:innen und Passant:innen sein. Denn wer hat etwas davon, wenn dort ab sofort keine Brachflächen und Parkplätze grüßen, sondern verspiegelte Hochhäuser mit überteuerten Preisen? Kaum etwas bringt das so auf den Punkt wie die Ankündigung, ein Fünf-Sterne-Hotel auf dem Riebeckplatz zu errichten. Wer in Halle oder wer der Besucher*innen wird jemals dort nächtigen? Die überwältigende Mehrheit wird es nicht.
Und wer hat etwas davon, wenn das Zukunftszentrum uns die Deutsche Einheit schmackhaft machen will, aber wir die Probleme dieser Einheit schon an den oben genannten sozialen Fakten sehen können, die Halle zu einer armen Stadt mit ziemlich wenig Perspektive machen? Wenn das Zukunftszentrum irgendwie erfolgreich sein will, dann müssen damit Investitionen in hallesche Strukturen einhergehen, die von Unterfinanzierung geprägt sind, in Soziales, Wissenschaft und Bildung - und es muss ein Zeichen gesetzt werden für eine kritische Betrachtung der deutschen Einheit und ihrer Nachfolgen, zum Beispiel durch die Benennung des Zentrums nach Sigmund Jähn, der schon völlig zu Unrecht aus dem Namen des Planetariums gestrichen wurde. Und es muss Schluss sein mit der Errichtung von Luxus-Hotels, die nicht für uns sind, die Mieten in die Höhe treiben und gegenüber der existierenden Armut in Halle eher wie ein schlechter Scherz wirken. Aber danach sieht es bis jetzt nicht aus. Deshalb stimmen wir in den Jubel nicht ein, sondern erlauben uns Skepsis. Auch wer das Zukunftszentrum will, sollte Luxusbauten verhindern, nationale Geschichtsfolklore ablehnen und feststellen, wer überhaupt davon profitieren kann.
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