Der Mieterrat zeigt: Mieter*innen müssen sich selbst organisieren

Recherchen der Mitteldeutschen Zeitung (MZ) haben aufgedeckt, dass sich Peter Scharz, Vorsitzender des Mieterrates, Mitglied der Freien Wähler und Kandidat für Hauptsache Halle, seinen Wahlkampf vom Immobilienkonzern Isihome bezahlen lässt (1). Isihome wurde z.B. in der südlichen Innenstadt für Entmietungsmaßnahmen kritisiert (2). Davon spricht man, wenn die Zustände in den Wohnungen absichtlich so schlecht werden (z.B. durch fehlende Sanierungen, kein Warmwasser etc.), dass Mieter*innen damit zum Auszug gedrängt werden können. Der Effekt: Nach der überfälligen Sanierung kommt es dann zu teureren Neuvermietungen, die kaum beschränkt sind.

Pikant dabei ist nicht nur, dass ein Funktionär einer vermeintlichen Interessenvertretung sich von den Gegner*innen dieser Interessen, und nichts anderes sind Vermieter*innen in jeder Form, sponsern lässt. Vielmehr sind in der Vergangenheit auch gemeinsame Projekte zwischen Mieterrat und Isihome und verschiedene Belobigungen gegenüber Isihome vom Rat belegt (3). Währenddessen wurden andere Immobilienkonzerne gerade nicht geschont, sondern extrem stark angegangen.

Aber das Problem geht über die Frage der Käuflichkeit hinaus, denn der gesamte Mieterrat ist eine von oben vorgegebene Fehlkonstruktion: Schon zu Beginn wurde er v.a. von den Anhänger*innen des nun suspendierten Oberbürgermeisters geführt, woran sich nicht wirklich etwas geändert hat (4). Ihre Position war nicht, den bereits bestehenden Mieterbund zu verbessern oder die Mieter*innen als Basis zu organisieren, sondern sich beim ersten Treffen mit Funktionär*innen zur Stimme aller Mieter*innen zu erklären (5). Dabei ist auch über das Verhältnis von Isihome deutlich, dass bei der Stimme die persönlichen Interessen von Peter Scharz und Co. hier offensichtlich stets die Überhand hatten.

Denn während es nur teilweise gegen Mieterhöhungen, Entmietungen und Vermieter-Schikanen geht, geht es immer um die Rückkehr des Oberbürgermeisters und verschiedene konservative Talking-Points: So geht es mehr um Ordnung, Sauberkeit und Erreichbarkeit und weniger um die konkrete Miethöhe. Bei den Auseinandersetzungen rund um Belvona im Südpark wurde kritisiert, dass sich der Mieterrat zum alleinigen Repräsentanten der Mieter*innen erklärt habe (6). In den Mitteilungen des Vereins wurde immer wieder deutlich, dass (unberechtigte) Hoffnung in das Unternehmen gesetzt wurde, was wenige Monate später (wenig überraschend) spurlos verschwinden sollte (7).

Darüber hinaus beschäftigte sich der Mieterrat dank Peter Scharz u.a. mit nicht zurückgebrachten Einkaufswagen (8). 2020 gab es in diesem Sinne auch eine Aufräumaktion, an der sich gleich die AfD mit ihren härtesten Kadern wie Donatus Schmidt beteiligte (9) und daraus eine sehr kurzlebige “Initiative für Halle” bastelte, die das Aufräumen zur vorpolitischen Offensive umbauen wollte (10).

Dieses offene Verhältnis zur politischen Rechten wurde ebenfalls schon bei der Gründung deutlich, etwa durch die Personalie von Johannes Menke, der von der CDU-WerteUnion zu den Freien Wählern ging (11), weil die ausgerechnet die WerteUnion nicht rechts genug war. Von den Freien Wählern ist Menke zum OB-Verein Hauptsache Halle weitergezogen, wo er seine politische Einstellung mitnehmen konnte (12). Er setzt sich auch als Anwalt dann für die Vermieter*innen ein, wenn es gegen die kommunalen Wohnungsgesellschaften geht, die er mit Leidenschaft bekämpft – wohl um die These zu unterstützen, die Stadt sei ohne den suspendierten OB dem Untergang geweiht (13). Denn ansonsten hat Menke keinen besonderen Schwerpunkt auf die Rechte von Mieter*innen oder Arbeiter*innen gelegt, vertritt er doch u.a. Steffen Hansen, den Chef von Connoisseur, Potemkin und Roter Horizont in der kleinen Ulrichstraße, gegen missliebige Arbeiter*innen (14).

Das sind einige Schlaglichter, die zeigen, dass die Käuflichkeitsvorwürfe gegen den Mieterrat nicht überraschen können. Letztlich gehen Peter Scharz und Co. sowieso davon aus, dass es viele gute Kapitalist*innen gibt. In diesem Sinne nimmt man wohl gerne von Isihome, die es als Turbogentrifizierer explizit auf älteren Wohnbestand abgesehen haben und damit enorm dazu beitragen (15), dass der ebenso vom Mieterrat geforderte Mietspiegel immer weiter zu steigen droht. Das Tragische dabei ist aber, dass das Versagen des Mieterrates an sich selbst nicht bedeutet, dass es eine verlässliche Alternative gibt. Der Mieterbund berät zwar seine Mitglieder sicherlich deutlich seriöser als der Mieterrat es tut, aber er wacht natürlich v.a. über den Status Quo. Die kommunalen Wohnungsgesellschaften lassen eine*n im Winter nicht erfrieren (wie Belvona und Co.), aber erhöhen ständig die Miete. Und die politischen Gremien haben noch längst keine Lösung gefunden. Während wir als SDS zwar die von der Partei Die Linke ausgehenden Initiativen für die Begrenzung der Mieterhöhungen (16) bei HWG und GWG unterstützen und davor warnen, was passiert wenn der Mieterrat und seine Freund*innen eine Mehrheit im Stadträt hätten, so bleibt doch festzustellen, dass die wirksamste Arbeit für die Rechte von Mieter*innen darin besteht, dass sich Mieter*innen selbst organisieren und sich darüber im Klaren sind, dass Vermieter*innen niemals dieselben Interessen haben wie sie selbst!

Verweise:
(1) https://www.mz.de/lokal/halle-saale/fragwurdige-wahlkampfspende-bringt-mieterrat-halle-in-bedrangnis-3849757
(2) https://www.mz.de/lokal/halle-saale/mieter-beklagen-zustande-in-einem-mehrfamilienhaus-in-der-sudlichen-innenstadt-3652642
(3) https://dubisthalle.de/mieterrat-will-projekt-in-halle-starten-mini-windraeder-auf-hausdaechern-sollen-kostenguenstig-strom-liefern
(4) https://staedtische-zeitung.de/2019/09/bild-des-tages-verein-mieterrat-halle-gegruendet
(5) https://transit-magazin.de/verein-auf-abwegen/
(6) https://www.mz.de/lokal/halle-saale/kritik-am-mieterrat-halle-helfer-geraten-untereinander-in-streit-3506461
(7) https://dubisthalle.de/belvona-gelobt-besserung-und-kuendigt-mieterversammlung-an
(8) https://www.mz.de/lokal/halle-saale/ordnung-in-halle-darum-sind-wild-geparkte-einkaufswagen-in-neustadt-flaechendeckendes-problem-3495294
(9) https://www.hallelife.de/nachrichten/aktuelles/details-aktuelles/fehlende-abgrenzung-nach-rechts-die-linke-halle-kritisiert-den-%C2%84mieterrat-halle-saale-e-v%C2%93/
(10) https://www.afd-stadtratsfraktion-halle.de/die-initiative-fuer-halle-bei-ihrem-ersten-arbeitseinsatz-im-suedpark/
(11) https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/chef-der-cdu-werteunion-wirft-hin-964327
(12) https://www.mz.de/lokal/halle-saale/interne-querelen-halles-freie-wahler-vorstand-johannes-menke-tritt-zuruck-3427056
(13) https://dubisthalle.de/freie-waehler-lehnen-weitere-zusammenarbeit-mit-mieterrat-ab-zerstoererische-vorgehensweise-des-mieterrates-gegenueber-den-kommunalen-wohnungsgesellschaften
(14) https://halle.fau.org/2021/03/24/arbeit-als-arbeit-anerkennen/
(15) https://www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2022/10/sanierung-teuerung-rausschmiss-ueber-entmietungsprozesse-in-leipzigs-nachbarstadt-479818
(16) https://www.dielinke-halle.de/links-hilft/hwggwg/


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