Vermietnomaden enteignen

Belvona und White Green Property haben würdige Nachfolger*innen gefunden. Nachdem diese Unternehmen von Birger Dehne die Mieter*innen im Südpark terrorisiert, sich um nichts gekümmert und die Nebenkosten einbehalten haben und dann verschwunden sind, wird ähnliches laut Medienberichten nun von der Firma “Nord I Real Estate GmbH” von einem Matteo Colusso auf der Silberhöhe durchgezogen. Der Fall verläuft praktisch parallel: Eine Firma mit häufig wechselndem Namen und entsprechender Vorgeschichte kauft in Halle Platten auf, nimmt dann das Geld von den Mieter*innen und tut praktisch exakt nichts dafür. Was ja grundsätzlich das Geschäftsmodell von Vermieter*innen ist (nichts tun), wird hier verschärft, weil z.B. die Energiekosten, die einfach nur an den Versorger (also vielfach die EVH) weitergegeben werden müssen, einfach einbehalten werden. Also “nichts tun” und dafür doppelt abkassieren.

Das hat zwei Vorteile für diese mutmaßlichen Briefkastenfirmen von Leuten wie Birger Dehne und Matteo Colusso oder wie sie im Einzelnen heißen mögen: 

Erstens bessern sie damit ihr Portfolio auf und können Investor*innen gewinnen. Die Firmen von Birger Dehne sind z.B. vor allem Anlageoptionen gewesen und haben mit traumhaften Renditen darum geworben, mehr Geld in diese zu stecken. Und das muss auch sein, denn wo kein Vertrauen in die Geschäftsgrundlage (weil die Firma alle paar Monate neu gegründet wird) da sein kann, da braucht es eben hohe Gewinnmargen, um naive oder einfach sehr auf Profit angewiesene Anleger*innen zu erreichen. Und deren Interessen können dann wiederum gedeckt werden mit den Mieten – und wenn knapp kalkuliert wird, dann eben auch mit ausbleibenden Gehältern beim Reinigungsservice, der nicht mehr kommt, oder eben mit den Nebenkostenzahlungen der Mieter*innen. Oft kommt es zu einem Schnellballsystem mit den meist armen Mieter*innen als Grundlage, die das Rollen aufhalten sollen. Das ist menschenverachtend und ein Fall für die Strafverfolgung oder die Enteignung beziehungsweise beides. Denn mit den frommen Wünschen des “Mieterrates” oder von Bürgermeister Geier, der sich die Dehne-Immobilien im Südpark folgenlos angesehen hat, werden sich diese Strukturen nicht aufhalten lassen. Oder wie Karl Marx unter Rekurs auf den britischen Gewerkschafter T. J. Dunning schrieb: “Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.”

Zweitens werden diese Blöcke, die von Colusso und Dehne wohl heruntergewirtschaftet wurden und werden, billig versteigert und die Politik kümmert sich mehrheitlich nicht darum. Was am Ende unbewohnbar ist, kann immer noch schnell abgegeben und weiterverkauft werden, die Firmen sind schneller aufgelöst und neu gegründet als man überhaupt hinterherkommt – und damit finden auch die Ansprüche der Mieter*innen niemanden mehr, den man ohne zumindest etwas akribische Recherche ausfindig machen könnte. Letztlich bleibt den Mieter*innen meist nur die Flucht. Dehne und Colusso wurde auch schon die “Kalte Entmietung” vorgeworfen. Die findet dann statt, wenn Mieter*innen gezielt herausgedrängt werden, um die Wohnungen nach einer Sanierung dann teuer verkaufen zu können. Das ist immer eine Gefahr und einfach eine aktive und illegale Form der Segregierung. Man kann sich hier allerdings fragen, ob das Geschäftsmodell von Colusso und Dehne wirklich langfristige Investitionen zulässt. Was man aber sagen kann: Die nach ihnen kommenden Immobilienkonzerne können darauf setzen, dass die Mieter*innen leicht loszuwerden sind.

Denn tatsächlich verhalten sich ihre Unternehmen wie die schlimmsten “Vermietnomaden”. Sie kaufen sich eine Platte nach der anderen und nehmen die Miet- und Nebenkosten der Mieter*innen. Dann tun sie exakt genug, damit Politik, Justiz und Medien nicht dran bleiben und auf Verhandlungsbereitschaft setzen. Denn während man “Mietnomaden” mit RTL-Dokus durch das Land jagt und jederzeit bereit ist, ihnen die obskursten moralischen Vorhaltungen zu machen sowie nach Strafverschärfung schreit, geht das auf Vermieterseite klar, solange man sich zumindest einbilden kann, dass alles mit rechten Dingen zugehen würde. Deshalb gibt es mal eine bezahlte Rechnung oder einen neuen Anstrich, aber zwei Wochen später ist der Hausmeisterservice wieder verschwunden, die Firma hat einen neuen Namen und die Heizung wird erneut abgestellt beziehungsweise es wird damit gedroht.

Dass sich ein Rechtsstaat so etwas gefallen lässt, ist ein Skandal. Politisch ist es sowieso niemandem ernsthaft zu erklären, warum eine Gesellschaft die Bereicherung mit Wohnraum akzeptiert. Aber dass die Regierenden nicht einmal etwas gegen die “Vermietnomaden” unternehmen, ist eine absolute Kapitulationserklärung von Politik und Justiz. Hier können Vermieter*innen ohne Sicherheiten, ohne Geschäftsmodell und ohne jede Befolgung von Regeln ganze Blöcke übernehmen, um Mieter*innen in den Ruin zu stürzen – und am Ende gibt man sich überrascht. Es braucht jetzt ein hartes Durchgreifen, für das sich doch die Politik sowieso immer wieder ausspricht. Alle “Vermietnomaden”, also diejenigen, die ihren Pflichten nicht nachkommen, müssen sofort und entschädigungslos enteignet werden. Das ist der einzige Weg, die Mieter*innen nicht im Stich zu lassen.



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