Das war’s? Godenrath, das Ende des demokratischen Konservatismus und die Rettung der kommunalen Demokratie
Der bürgerlich-demokratische Konservatismus, wie man sich ihn idealtypisch vorstellt, ist zumindest in Halle untergegangen. Zur Freude zukünftiger Historiker*innen kann man den Termin sogar genau bestimmen: Am 18. September 2024 war es damit vorbei.
Auch wenn er schon seit Jahren im Sterben lag, ging es am Ende dann doch ziemlich schnell. Frühe Symptome, wie etwa die Abwanderung des RCDS zum rechten “Bündnis Deutschland” (1), die (ehemalige) Burschi-Zugehörigkeit Christoph Bernstiels und anderer Spezialist*innen (2), die Zusammenarbeit zwischen der CDU-Stadtratsfraktion und der AfD etwa gegen das alternative Projekt Reil78 (3), die zunehmende Verrohung der Wortbeiträge und letztlich auch die völlige Ideenlosigkeit der CDU in Stadt und Land, wurden ignoriert.
Die Konsequenzen sind bitter: Auch wenn selbst ein “demokratischer Konservatismus” durchaus rassistisch, queerfeindlich, autoritär und/oder neoliberal gewesen ist und deshalb natürlich kein politischer Verbündeter war, so gibt es doch einen Unterschied zwischen diesem und dem, was der CDU seit diesem Mittwoch vorschwebt. Mit Kerstin Godenrath als OB-Kandidatin (4) setzt die Partei nämlich auf den Trump-Stil. Das fängt schon bei der Auswahl der Kandidatin an: Kerstin Godenrath setzte sich gegen den engagierten Kontrahenten Dr. Alexander Vogt durch (5). An diesen waren vorab Rügen erteilt worden, da er sich mit seiner Kandidatur gegen die lokale Parteiführung durchsetzen wollte. Ihm wurde der Austritt nahegelegt. Aus Angst vor Zustimmung für Vogt hatte der CDU-Landesvorstand interessierte Mitglieder gar nicht erst aufgenommen (6) und der Stadtvorsitzende Tullner hatte sich schon vor dem Mehrheitsvotum des Parteitages herablassend über die Kandidatur geäußert (7).
Aber die fehlenden Lebenszeichen des demokratischen Konservatismus resultieren nicht nur aus der Methodik der CDU-Granden, auch die Inhalte sind entsprechend. Denn warum sollte es nicht Vogt, der inzwischen als unabhängiger Kandidat antritt, werden, wenn die Stadtspitze von CDU-Gnaden sowieso vor allem mit Kürzungen und Verwalten beschäftigt wäre? Das erklärt die Personalie, die sich schließlich durchsetzte. Und hier fallen Form und Inhalt wieder zusammen: Kerstin Godenrath hat sich nicht nur trans*feindlich geäußert (8), sondern das auch so getan, wie es verrohte Konservative nun einmal tun: Mit dem so falschen wie menschenverachtenden rhetorischen Vorschlaghammer. Im Jahr 2021 gab es bereits einen Mini-Skandal um Godenrath, die zusammen mit den Brüdern Andreas und Thomas Godenrath immer wieder verschwörungsideologische Inhalte verbreitet haben soll (9). Danach hat Kerstin Godenrath ihren Twitter-Account zuerst eingeschränkt und dann aufgeräumt, während Andreas Godenrath motiviert weitermachte und bis jetzt mit Donald-Trump-Profilbild gegen den “deep state” wütet. Trotzdem haben die beiden Letztgenannten laut Medienberichten sich ebenfalls nicht nehmen lassen, einen Anwaltsbrief schicken zu lassen.
Während diese Kontakte in den Hintergrund gerückt sind, verkündet Kerstin Godenrath der Öffentlichkeit den von ihr verfolgten Rechtsrutsch ganz deutlich: Man sei natürlich für das Prestigeprojekt “Zukunftszentrum” (auch wenn die CDU-Landesregierung ironischerweise inzwischen laut Haushaltsplan wohl dagegen ist), aber möchte vorher den “Drogenumschlagplatz” am Riebeckplatz gewaltsam aufräumen lassen. Konkret heißt das bei ihr Verdrängung, Stigmatisierung, Überwachung. Sie fordert etwa Videoüberwachung, nutzlose und schikanöse Waffenverbotszonen und ein “Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen”. Der ganze reaktionäre Klassencharakter zeigt sich daran, dass sie das Ordnungsamt von “Knöllchen” entlasten und stattdessen auf Jugendliche und Migrant*innen hetzen will. Generell befindet sie sich offensichtlich auf einem Feldzug gegen jüngere Menschen, denn auch Studierende kommen nicht gut weg. Wenn sie etwa ihr eigenes Audimax für eine bessere Klimapolitik besetzen, sind es für sie schlicht “Kriminelle” – ohne allerdings irgendeines Verbrechens bezichtigt werden zu können, aber das ist im autoritären Verständnis von Godenrath eben egal (10). Und die Doppelmoral zeigt sich darin, dass man gegen teurer bezahltes Alkoholtrinken offensichtlich nichts hat, schließlich verkündete sie in bester Boomer-Manier, dass der Saufschlager “Layla” nun ihr Lieblingslied sei (11). So soll die “Entbürokratisierung” generell ablaufen: Weniger Vorschriften für Unternehmen, weniger Kontrollen, nur noch freiwillige Leistungen für die Wirtschaft und keine für Vereine und soziale Initiativen, weniger Geld für die Kommune vom Land – und dafür: mehr Überwachung und Unterdrückung von Geflüchteten. Am Ende dieser Maßnahmen steht eine tote Stadt, noch stärker gentrifiziert, regiert von CDU und AfD, mit völkischen Jugendbanden und verrohten Bürger*innen, denen Kerstin Godenrath mit Fug und Recht vorsteht.
Das gilt es zu verhindern. Aber die Lösung kann nicht sein, sich angesichts der Bedrohung jetzt hinter dem*der aussichtsreichsten Kandidat*in, den*die man noch als demokratisch verstehen kann, zu versammeln. Auch der Status Quo setzt schon auf Drangsalieren, auf Kürzen von Leistungen und Erhöhen von Beiträgen. Auch jetzt gibt es schon Prestigeprojekte wie die Deutschlandtour oder das Zukunftszentrum statt soziale Arbeit, Wirtschaftsansiedlungen statt vernünftige Stadtentwicklung und eine Brandmauer, die inhaltlich nicht gehalten wird. Es muss insbesondere für Die Linke jetzt darum gehen, eine explizit sozialistische Gegenposition zu entwickeln, die deutlich macht, dass die kapitalistische Entwicklung (sowohl bei Godenrath als auch Bürgermeister Geier, der den Status Quo zu verantworten hat) die Stadt in eine Betonwüste verwandeln wird und es jetzt gilt, jede Möglichkeit zum Umsteuern zu nutzen.
Denn sollte die kommende OB-Wahl zwischen Status Quo, rechts und rechter entschieden werden, kann sich nicht nur der demokratische Konservatismus vergraben, sondern auch die lokale Demokratie an sich.
Verweise:
https://dubisthalle.de/kerstin-godenrath-ist-ob-kandidatin-der-cdu-in-halle-saale
https://www.mz.de/lokal/halle-saale/cdu-alexander-vogt-ob-kandidatur-konflikt-machtkampf-3918151
https://x.com/GodenrathK/status/1613239138668404743?t=fvNUTtxo0DAvPl_qFfZF_Q&s=19
https://x.com/GodenrathK/status/1548688908875169795?t=EERBuTMH3zPffzTLexnEvg&s=19
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